Schlagwort-Archive: Netzwerk

Zwei Großdemonstrationen, ein Anliegen?

Wie es im Rahmen des G20-Gipfels in Hamburg zur Spaltung innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung kam

Vergangenen Sommer hat wieder einmal der G20-Gipfel stattgefunden. Austragungsort für das Jahr 2017 war die Stadt Hamburg. Da es sich bei diesem Gipfel um ein internationales und politisches Großereignis handelt, war es absehbar, dass es mehrere Organisationen, Gruppierungen und auch Einzelpersonen geben wird, welche diese jährliche Zusammenkunft kritisieren, und aus diesem Grund zu öffentlichem Protest aufrufen werden. Diesen Protest, welcher sich im Kern globalisierungskritisch, kapitalismuskritisch und gegen die Auswirkungen des Klimawandels äußert, jedoch in der Darstellung durchaus vielfältig ist, haben wir als Ausgangspunkt für unser Interesse an der Forschung über politisches Engagement genommen. Neben zahlreichen Demonstrationen und anderen Protestformen, gab es im Rahmen des Gipfels zwei Großdemonstrationen, welche jeweils von breiten Bündnissen getragen wurden. Beide Demonstrationen stellten im Wesentlichen dieselben Forderungen an die G20, haben ihre Themenschwerpunkte jedoch unterschiedlich gesetzt. Wir haben diese zwei Protestveranstaltungen hinsichtlich ihrer Thematik und ihrer Organisierung genauer unter die Lupe genommen, um der Frage nachzugehen, warum diese beiden, dem politischen linken Spektrum einzuordnenden Bündnisse, sich nicht zusammengeschlossen haben, um somit gemeinsam ein möglicherweise größeres mediales Echo zu erzielen.

Vorweg wird der G20-Gipfel im Kapitel „Was ist der G20-Gipfel?“ an sich näher beleuchtet, um zu erörtern, aus welchen Gründen es jährlich zum Treffen diverser Staats- und Regierungschefs kommt, welche Länder hierbei repräsentiert werden und warum es so viel Kritik an dieser Veranstaltung hagelt. Anschließend haben wir im Abschnitt „Organisierung und Forderungen der beiden Großdemos“ im Zuge unserer empirischen Forschung ein Experteninterview geführt, um zu erfahren, wie eine Organisatorin einer solchen Großdemonstration das Geschehen wahrgenommen hat, und wie ihre Meinung zum getrennten Agieren der beiden großen Protestveranstaltungen ist. Um uns einen erweiterten Blick auf die öffentliche Wahrnehmung und die Bewertung der Demonstrationen im Vorfeld einzuholen, haben wir im Kapitel „Wahrnehmung und Darstellung der Demonstrationen in den Medien“ einige Berichterstattungen der größeren Massenmedien erfasst und zusammengetragen. In diesem Zusammenhang sind wir im Abschnitt „Konstatierung der Diskrepanzen der beiden Bündnisse“ auf ein Zeitungsinterview mit Repräsentanten der beiden Demos genauer eingegangen, um mit Hilfe dieser Darlegung, die Differenz der beiden Bündnisse zu offenbaren. Schließlich haben wir in den Kapiteln „Kontextualisierung der Eigenschaften der Demonstrierenden“ und „Die globalisierungskritische Bewegung“ anhand der Ergebnisse der quantitativen Studie „#NoG20 – Ergebnisse der Befragung von Demonstrierenden und der Beobachtung des Polizeieinsatzes“ auf beiden Demos, an deren Erhebung wir mitunter selber mitgewirkt haben, untersucht, ob sich die Einstellung der ProtestteilnehmerInnen mit den Forderungen und Aussagen der OrganisatorInnen deckt, und inwiefern sich die Demonstrierenden auf den jeweiligen Veranstaltungen hinsichtlich ihrer Ideologie unterscheiden. Der Beitrag schließt mit einem Fazit und Ausblick ab.

Weiterlesen

„Für eine bessere Welt“: politische Ansichten und persönliche Hintergründe der #NoG20-Demonstrierenden

Am 7. und 8. Juli 2017 schaute die ganze Welt nach Hamburg, wo Deutschland als Gastgeber des G20-Gipfels zum zwölften Treffen der 20 einflussreichsten Industrie- und Schwellenländer einlud. Von dem Ereignis selbst bleiben den meisten Menschen nur die Medienberichte über Eskalation, Zerstörung und Gewalt in Erinnerung, obwohl diese im Vergleich zu den vielseitigen, konstruktiven und friedlichen Protesten nur einen minimalen Anteil darstellen.

Neben einer Vielzahl unterschiedlicher Proteste, zum Beispiel Kunstaktionen, Blockaden oder Großdemonstrationszügen, stand besonders die Abschlussdemonstration am 8. Juli 2017 „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ im Mittelpunkt des medialen Geschehens (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 1).

Rund 76.000 Menschen (vgl. Bündnis „Grenzenlose Solidarität statt G20“ 2017: online) folgten dem Aufruf eines Zusammenschlusses vieler hauptsächlich linkspolitisch orientierter Organisationen, Bündnisse, Initiativen sowie Parteien (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 1) und formulierten ihren Protest in Form einer „lauten, bunten und vielfältigen Demonstration“ (Grenzenlose Solidarität statt G20 Aufruf o.J. online).

Doch wer sind diese Menschen, die sich an der größten Protestaktion der #NoG20-Bewegung beteiligt haben und wofür stehen sie?

Diese Arbeit soll diesen Demonstrierenden die Aufmerksamkeit zukommen lassen, welche ihnen wegen der starken Fokussierung der Medien auf die Ausschreitungen und die folgende politische Debatte verwehrt blieb. Bestehend aus einer Kombination von qualitativ und quantitativ empirisch erhobenen Daten ist es das Ziel dieser Arbeit, die Frage zu beantworten, was die #NoG20-Demonstrierenden des 8. Juli 2017 ausmacht. Weiterlesen

Füllbar – zwischen Hoffnung, Leidenschaft und Berufung

Ein verpackungsfreier Supermarkt als Antrieb und Ergebnis bürgerschaftlichen Engagements

NRW ist anders – und das Ruhrgebiet ganz besonders. Es hat weder das internationale Flair von Frankfurt noch die außergewöhnliche Anziehungskraft Hamburgs, ist weniger schick als München und schon gar nicht so populär wie Berlin – aber im Ruhrgebiet leben Menschen, die es zu etwas Besonderen machen. Menschen, die sich für das einsetzen, das ihnen am Herzen liegt, sich engagieren und Wandel anstoßen wollen. Dazu geht jeder dritte Ruhrgebietler einer freiwilligen Tätigkeit in Organisationen, Vereinen oder Verbänden nach.

Im Jahr 2016 überstieg die Zahl der eingetragenen Vereine in Deutschland erstmals die Schwelle von 600.000. Doch nicht nur die Zahl der Organisationen stieg, sondern auch die Zahl der MitgliederInnen in vielen Organisationen. Immerhin ein Drittel der Organisationen gibt an, heute mehr MitgliederInnen zu haben als im Jahr 2012. (Ziviv-Survey, 2017)

Etwas über 120.000 der deutschen Vereine sind dabei in das nordrhein-westfälische Register eingetragen, was gut jedem fünften entspricht. Somit kommen auf 1000 Einwohner 6,7 Vereine (vgl. Ziviz-Survey, 2017). Neben Berufs- und Wirtschaftsverbänden sind Vereine, die sich dem Umwelt- und Naturschutz sowie Verbraucherinteressen widmen, diejenigen, die seit 2012 die stärksten Mitgliederzuwächse verzeichnen können. Vom sogenannten Vereinssterben kann zumindest in diesem Punkt nicht die Rede sein. Während 42% der Vereine der Verbraucherinteressen im großstädtischen Raum beheimatet sind, sind es nur ein Viertel der Vereine, die den Umweltschutz zum Ziel haben.  Obwohl das Ruhrgebiet mit 5,1 Millionen Einwohnern verteilt auf 15 Städte und Kreise als größtes Ballungsgebiet Europas gilt, findet man hier nur eine Handvoll verpackungsfreier Supermärkte, wohingegen ähnlich viele schon in einer Stadt wie Hamburg oder Köln zu finden sind.

Eine Richtung, die immer größere Aufmerksamkeit genießt, ist dabei die sogenannte Zero Waste-Bewegung, mit der nichts Anderes gemeint ist als Müll weitestgehend bis vollständig zu vermeiden zu wollen. Das Zukunftsinstitut mit Sitz in Frankfurt am Main ist sich dabei sicher: „Der Zero Waste-Trend ist mehr als nur der nächste Ökotrend. Das Precycling wird als Nachfolger des Recycling Märkte und Wirtschaft verändern.“ Ein Bespiel für einen Verein, der in einem solchen Handlungsfeld operiert, ist die Füllbar e.V. in Witten, die sich als Träger eines Lebensmittelmarktes zum Ziel gesetzt hat, verpackungsfreies Einkaufen zu erleichtern und den Weg hin zu einer deutlichen Reduktion von Müll zu ebnen. Diese Idealvorstellung erzeugt nicht nur eine völlig neue Art des Konsums, sondern führt auch zu einer Weiterentwicklung bisher dagewesener Engagementformen.

© Pixabay

Weiterlesen

Was kann Kultur an der Ruhr?

Integrationsarbeit und gesellschaftliche Teilhabe durch kulturelle Projekte im Ruhrgebiet

Die kontroverse Diskussion, wie Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen zusammen in Deutschland leben können, ist bis heute in vollem Gange. Dabei verteilen sich die verschiedenen Argumente und Forderungen zwischen den beiden Gegensatzpolen Multikulturalismus und Leitkultur. Hinter den beiden Begriffen verbergen sich divergente Vorstellungen, wie sich dieses Zusammenleben gestalten soll (vgl. Ohlert 2014: 577).

Der Ausdruck Multikulturalismus stammt ursprünglich aus Kanada, wird in den 1980er Jahren in die deutsche Debatte eingeführt und zielt „auf die Umwandlung der nationalen Fundierung des Staates in die Offenheit einer postnationalen Weltbürgerrepublik“ (ebd.). Dabei soll es zu einem Neben- und Miteinander unterschiedlicher Kulturen innerhalb einer Gesellschaft kommen und gleichzeitig soll sich die Politik bemühen, die verschiedenen kulturellen Identitäten anzuerkennen und zu beachten (vgl. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung 2014). Weiterlesen

Psychologische Betreuung Geflüchteter

Ein Pyrrhussieg für freiwillig Engagierte? (AT)

Die psychologische Betreuung von Geflüchteten stellt einen besonderen Teilaspekt der Gesundheitsversorgung geflüchteter Menschen in Deutschland dar. Obwohl die Gesundheitskarte (eGK) geflüchteten Personen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen gewährleisten soll, erhalten Asylsuchende die eGK erst nach einem Aufenthalt von 15 Monaten. Für Personen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) bedeutet dies eine große Gefahr für ihre Gesundheit, denn je eher eine PTBS behandelt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Chronifizierung der Traumafolgestörung. Weiterlesen

Engagement für Geflüchtete in Bochum – Mehr als die Summe seiner Teile? Eine Netzwerkperspektive

„Bochum hilft“ heißt es auf der Internetpräsenz der Koordinierungsstelle für Flüchtlingshilfe der Stadt Bochum, und: „Bochum ist eine Stadt, in der Hilfsbereitschaft und Solidarität groß geschrieben werden“. Was genau versteckt sich hinter dieser Aussage? Ist die ganze Stadt mobilisiert, engagieren sich alle 369.314 Einwohner Bochums (vgl. Presseamt der Stadt Bochum) mit Herzblut für die Belange der Geflüchteten?

Nein. Dennoch engagieren sich mehr als „50 Organisationen, Vereine oder Netzwerke“ (Koordinierungsstelle Bochum) in Bochum für geflüchtete Menschen und präsentieren eine Vielzahl von Aktivitäten und Angeboten, die das Leben der zurzeit 4.261 Geflüchteten in der Stadt verbessern sollen (vgl. Presseamt der Stadt Bochum). Diesen mehr als 50 einzelnen Gruppen werden sich bestimmt eine große Anzahl engagierter Menschen zugehörig fühlen, dennoch kann man wohl kaum davon sprechen, dass „Bochum hilft“. Warum also wird hier von Bochum gesprochen und nicht nur von einem Teil seiner engagierten Bevölkerung? Wahrscheinlich handelt es sich bei diesen Formulierungen nur um rein rhetorische Mittel um den Lesern eine gewünschte Situation zu suggerieren und den Standpunkt der Stadtverwaltung darzustellen. Was aber, wenn diese Phrasen ein Fünkchen Wahrheit innehaben? Heißt es nicht, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile? Weiterlesen

Den Arbeitsmarktzugang für geflüchtete Frauen ermöglichen!

Herausforderungen beim Arbeitsmarktzugang von geflüchteten Frauen

„Wir schaffen das“ ist die Positionierung von Deutschland angesichts des größten Flüchtlingsstroms seit dem Ende des zweiten Weltkrieges aufgrund der Massenunruhen und Instabilität im Nahen Osten und Afrika (Zeit Online 2015).  Die Hilfsbereitschaft der Bürger hat der Bundeskanzlerin, Angela Merkel, den Mut und die Hoffnung gegeben, ihre Position angesichts des Flüchtlingsstroms beizubehalten. Die Flüchtlingszuwanderung nach Deutschland wird kaum in Bezug auf Frauen thematisiert, obwohl im Jahr 2014 und 2015 rund ein Drittel der Asylantragstellenden Frauen waren (Flüchtlingsforschung 2016).  Besonders im Bereich der Arbeitsmarktintegration werden die Frauen vernachlässigt, obwohl eine Beschäftigung eine wichtige Grundvoraussetzung für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und für soziale Anerkennung darstellt (Eußner et al. 2016: 2). Außerdem bringt eine Beschäftigung bessere Zukunftsperspektiven mit sich und kann auch bei der Bewältigung der möglicherweise existierenden Belastungen der Flucht helfen (Eußner et al. 2016: 2). Der Leitsatz von Angela Merkel „Wir schaffen das“ bzw. Integration bleibt ohne die Inklusion der geflüchteten Frauen unrealistisch, weil die Frauen in der Familie eine wichtige Rolle spielen und oft die Erzieherinnen der Kinder, der „Erwachsenen unserer Zukunft“ sind. Darüber hinaus dürfen von Politikern und Politikerinnen die in der Vergangenheit gemachten Fehler, sich nur auf die Arbeitsmarktintegration von männlichen Zuwanderern (zu den Herausforderungen der Arbeitsmarktintegration im Allgemeinen vgl. Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten) zu konzentrieren, sodass die gesamtgesellschaftliche Integration der Frauen nicht ermöglicht wurde, nicht wiederholt werden (Meissner 2015: 21). Weiterlesen