Engagement gegen „Rechts“ in Dortmund
Die politische Rechte hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Sie war zwar stets präsent, aber erst mit den parlamentarischen Erfolgen und neueren Erscheinungsformen in Europa und Nordamerika, rückte sie auch in breiteren Teilen der Gesellschaft in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. In Deutschland waren es zu Beginn beispielsweise die Proteste von Pegida oder die Aktionen der Identitären Bewegung. Mit der Bundestagswahl im September 2017 hat sich gezeigt, dass auch in Deutschland eine rechtspopulistische Partei den zweistelligen Einzug in den Bundestag schaffen kann, die in einem Bundesland sogar als stärkste Kraft hervorgegangen ist. In ganz Europa, so scheint es, werden rechte und rechtspopulistische Thesen wieder salonfähig.
Allerdings gerät dabei leicht aus dem Blick, dass Rechte in Deutschland auch schon vor Pegida und AfD Wirkmächtigkeit erlangen konnten. In Dortmund zum Beispiel, einer Hochburg des Neonazismus auch über NRW hinaus, gibt es eine organisierte rechte Szene, deren Kontinuitäten bis in die 1980er Jahre reichen. Auch ganz ohne „Metapolitik“, um eines der Schlagworte in der Neuen Rechten zu bedienen, gelang es hier Neonazis, sich festzusetzen und ihre Vorstellungen in Teilen zu verwirklichen. Im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2005 ermordeten Neonazis in Dortmund fünf Menschen. Mit Bezug auf den Stadtteil Dortmund-Dorstfeld schwärmen sie von einem angeblichen „Nazikiez“. Auch mit Organisationsverboten war der Szene nicht auf Dauer beizukommen.
Gleichzeitig findet sich in Dortmund eine Vielzahl an unterschiedlichen Akteur*innen, die sich gegen die rechte Szene engagieren. Ebenso zahlreich wie die Organisationen sind ihre Aktionsformen, ihre Analysen und Perspektiven auf die politische Rechte aber auch auf die eigene Tätigkeit. Diesen Umstand haben wir zum Anlass genommen, uns näher mit dem Engagement gegen „Rechts“ in Dortmund zu beschäftigen. Um einen möglichst breiten Eindruck zu gewinnen, führten wir daher problemzentrierte Interviews mit Vertreter*innen unterschiedlicher Gruppen sowie Aktionsformen durch. Wir wollten wissen, ob sich das Engagement gegen „Rechts“ von anderen Formen zivilgesellschaftlichen Engagements unterscheidet und verglichen daher unsere Ergebnisse mit bereits gewonnenen Erkenntnissen aus der Forschung. Unser Fokus lag dabei auf den Faktoren, die Engagement gegen „Rechts“ beeinflussen. Warum haben die Befragten begonnen, sich in Dortmund gegen Rechts zu engagieren? Warum tun sie das heute immer noch, nicht mehr oder anders?
Im folgenden Abschnitt Der Dortmunder Kontext versuchen wir zunächst, die Bedingungen zu umreißen, unter denen Engagement gegen „Rechts“ in Dortmund stattfindet. Dafür geben wir eine grobe Übersicht über die rechte Szene in Dortmund und ihre Entwicklung einerseits und eine ebenso grobe Übersicht über die verschiedenen Akteur*innen, die sich in der Stadt gegen „Rechts“ engagieren. Hier finden sich auch Erläuterungen zu unseren Interviewpartner*innen und ihren Engagementformen. Der Abschnitt Was sagt die Forschung? gibt einen kurzen Überblick über die Untersuchungen zu politischem Engagement, die wir herangezogen haben, um sie mit unseren Interviews zu vergleichen und eventuelle Spezifika des Engagements gegen Rechts herauszuarbeiten. Es folgt der vierte Abschnitt Untersuchungsergebnisse zu Faktoren…, der die Ergebnisse unserer Interviews behandelt. Dieser ist in drei kleine aufgeteilt. Sie beschäftigen sich jeweils mit den Faktoren, die für den Beginn des Engagements gegen „Rechts“ relevant waren, mit den Faktoren, die seine Aufrechterhaltung fördern und zuletzt mit Gründen, das eigene Engagement zu beenden oder zu ändern. Im Abschnitt Verbesserungsvorschläge wenden wir uns den Ideen unserer Interviewpartner*innen bezüglich der Frage, wie Engagement gegen „Rechts“ in Dortmund gefördert werden könnte, zu und zuletzt ziehen wir ein Fazit, in dem wir auszuwerten versuchen, ob und falls ja, welche Unterschiede es zum politischen Engagement allgemein gibt.
Zu beachten ist dabei, dass unsere Ergebnisse natürlich nur einen geringen Teil des breiten Spektrums der verschiedenen Akteur*innen im Engagement gegen „Rechts“ in Dortmund abbilden. Zusätzlich stellen unsere Befragten auch erstmal nur einzelne Stimmen innerhalb der von ihnen gewählten Engagementform dar. Außerdem ergeben sich mögliche Verzerrungen dadurch, dass unsere Interviewpartner*innen überwiegend männlich und mit einer Altersspannweite von 19 bis 29 Jahren auch verhältnismäßig jung waren.