Am 7. und 8. Juli 2017 schaute die ganze Welt nach Hamburg, wo Deutschland als Gastgeber des G20-Gipfels zum zwölften Treffen der 20 einflussreichsten Industrie- und Schwellenländer einlud. Von dem Ereignis selbst bleiben den meisten Menschen nur die Medienberichte über Eskalation, Zerstörung und Gewalt in Erinnerung, obwohl diese im Vergleich zu den vielseitigen, konstruktiven und friedlichen Protesten nur einen minimalen Anteil darstellen.
Neben einer Vielzahl unterschiedlicher Proteste, zum Beispiel Kunstaktionen, Blockaden oder Großdemonstrationszügen, stand besonders die Abschlussdemonstration am 8. Juli 2017 „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ im Mittelpunkt des medialen Geschehens (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 1).
Rund 76.000 Menschen (vgl. Bündnis „Grenzenlose Solidarität statt G20“ 2017: online) folgten dem Aufruf eines Zusammenschlusses vieler hauptsächlich linkspolitisch orientierter Organisationen, Bündnisse, Initiativen sowie Parteien (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 1) und formulierten ihren Protest in Form einer „lauten, bunten und vielfältigen Demonstration“ (Grenzenlose Solidarität statt G20 Aufruf o.J. online).
Doch wer sind diese Menschen, die sich an der größten Protestaktion der #NoG20-Bewegung beteiligt haben und wofür stehen sie?
Diese Arbeit soll diesen Demonstrierenden die Aufmerksamkeit zukommen lassen, welche ihnen wegen der starken Fokussierung der Medien auf die Ausschreitungen und die folgende politische Debatte verwehrt blieb. Bestehend aus einer Kombination von qualitativ und quantitativ empirisch erhobenen Daten ist es das Ziel dieser Arbeit, die Frage zu beantworten, was die #NoG20-Demonstrierenden des 8. Juli 2017 ausmacht.
Dies soll mit Hilfe einer Analyse der oben erwähnten Daten erfolgen. Aufgrund der großen TeilnehmerInnenzahl wird die Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ im Fokus der für diese Arbeit erhobenen Daten und der daraus hervorgehenden Erkenntnisse stehen.
Basis der quantitativen Forschungsergebnisse ist eine Umfrage des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (Haunss et. al. 2017: #NoG20), welche am 8. Juli auf der Großdemo „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ durchgeführt wurde. Das qualitative Forschungsmaterial hingegen entstand auf der Basis der fünf von der Autorin durchgeführten qualitativen Interviews mit Demonstrierenden, die eben diese Großdemonstration besuchten.
Ein Vorteil von quantitativen Studien ist, dass sie einen relevanten und repräsentativen Einblick in beispielsweise die sozio-demographische Struktur von Protestierenden, ihre Motive und politischen Einstellungen ermöglichen. Ein Nachteil quantitativer Studien ist dementsprechend, dass sie immer nur einen verkürzten Einblick in die politischen Weltbilder und persönlichen Hintergründe der Beteiligten liefern. Um diese methodisch bedingte Lücke in der Datenerhebung zu füllen, werden in dieser Arbeit quantitative Daten mit qualitativen Interviews ergänzt.
Die quantitativen Ergebnisse, welche hier durch die qualitativen Interviews ergänzt werden, stammen aus dem Forschungsbericht des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung „#NoG20 – Ergebnisse der Befragung von Demonstrierenden und der Beobachtung des Polizeieinsatzes“ (Haunss et. al. 2017: #NoG20).
Proteste an sich sind hauptsächlich ein „Ausdruck für die Unzufriedenheit mit politischen Institutionen, ihren Entscheidungen sowie gesellschaftlichen und sozialen Missständen“ (Öztürk 2012: online). Sie stellen
„[j]enseits von Wahlen, dem institutionalisierten Instrument, um in Demokratien die Zusammensetzung der Akteure des Zentrums zu bestimmen, und jenseits der konventionellen Methoden, Interessen in Parlamenten durch Opposition und gegenüber den Parteien, Regierungen und Ministerialbürokratien durch Lobbyismus zu verfolgen, […] ein Mittel dar, den demokratischen Betrieb von außen zu irritieren und zu beeinflussen“ (Neidhardt und Rucht 2001, 28-29).
Obwohl Proteste als Ausdruck von Meinungsfreiheit einen festen Bestandteil unseres politischen Systems darstellen, ist verhältnismäßig wenig über ihre Entstehung, Entwicklung und Wirkung bekannt (vgl. Rucht 2001, 7). Im Vergleich zu anderen sozialen, ökonomischen und politischen Phänomenen existiert eine weniger detaillierte und institutionalisierte Datenerfassung, was das Sammeln und Verarbeiten von Forschungsmaterial, auf das sich die Protest- und Bewegungsforschung berufen kann, erheblich erschwert. (vgl. Rucht 2001, 7)
Erst 1993 mit dem Forschungsprojekt „PRODAT-Dokumentation und Analyse von Protestereignissen in der Bundesrepublik“, welches von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und später dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialwissenschaften (WZB) gefördert und finanziert wurde, entstand eine Datenbank mit Forschungsergebnissen über Proteste in der Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 2002. (vgl. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung o.J.: online). Als Forschungsmethode diente eine quantitative Inhaltsanalyse, welche auf Berichten der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau basierte, sowie einer Stichprobe, welche in bestimmten Abständen wiederholt durchgeführt wurde. (vgl. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung o.J.: online) Das Projekt lieferte erste zentrale Ergebnisse bezüglich der Protestforschung. Laut Prodat (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung o.J.: online) sei die Anzahl von Protestereignissen in Deutschland generell hoch und nehme im Laufe der Zeit zu, Protestakteure würden zunehmend informeller, die Themen differenzierter und die Protestteilnehmer zeichneten sich durch eine größere soziale Heterogenität aus. Zudem stieg der Anteil gewaltförmiger Proteste an (vgl. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung o.J.: online).
Seit 2012 widmet sich das Institut für Protest- und Bewegungsforschung (IPB) der „sozialwissenschaftlichen Forschung zu Protesten, sozialen Bewegungen und ihrem Wechselverhältnis zur Demokratie“ (Institut für Protest- und Bewegungsforschung o.J.a: online). Als Netzwerkinstitut fördert das IPB neben eigenständigen Forschungsprojekten die wissenschaftliche Zusammenarbeit von Forschenden, sowie Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Universitäten (vgl. Institut für Protest- und Bewegungsforschung o.J.a: online). In Folge dessen veröffentlicht das IPB Forschungsarbeiten in Form von öffentlich-zugänglichen working-papers (vgl. Institut für Protest- und Bewegungsforschung o.J.a: online) und anderen Publikationen, welche sich auf verschiedene Bereiche und Themen der Protest- und Bewegungsforschung beziehen (vgl. Institut für Protest- und Bewegungsforschung o.J.b: online).
Der Veröffentlichung „#NoG20. Ergebnisse der Befragung von Demonstrierenden und der Beobachtung des Polizeieinsatzes“ (vgl. Haunss et. al. 2017: online) gingen bereits Demonstrationsbefragungen von anderen Protestereignissen voran wie den „Montagsmahnwachen für den Frieden“ (vgl. Daphi et. al. 2014: online), der Demonstration „TTIP & CETA stoppen. Für einen gerechten Welthandel!“ am 10. Oktober in Berlin (vgl. Daphi et. al. 2015a: online) und der 12. Protestmarsch der “Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes” (PEGIDA) in Dresden (Daphi et. al. 2015b: online). Andere Veröffentlichungen wie „Zwischen Emphase und Aversion. Großdemonstrationen in der Medienberichterstattung“ (vgl. Teune et. al. 2017: online) oder „Protestereignisse und Videoüberwachung. Eine ethnographische Studie“ (vgl. Knopp und Müller-Späth 2017: online) fokussieren sich auf den Umgang mit Protesten.
Diese Arbeit besteht aus zwei Kapiteln. Das erste Kapitel Positionierung und Anliegen der #NoG20-Demonstrierenden bezüglich des G20-Gipfels beschäftigt sich mit den Hauptthemen der #NoG20-Demonstrierenden, die für die Demonstrierenden von besonderer Bedeutung waren. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die Einstellungen der Demonstrierenden zu den G20 thematisiert.
Das zweite Kapitel Biographischer Hintergrund der #NoG20-Demonstrierenden beschäftigt sich zu Beginn mit den Einstellungen zu Demokratie und politischer Praxis der #NoG20-Demonstrierenden. Des Weiteren wird die Politische Selbsteinschätzung der #NoG20-Demonstrierenden thematisiert, also sich mit der Frage auseinandergesetzt, wo die Demonstrierenden sich selbst im politischen Spektrum verorten. Es folgt ein Einblick in die Themenbereiche ‚Politisches Engagement der #NoG20-Demonstrierenden‘ und ‚Soziales Engagement und hauptberuflicher Einsatz für die Gesellschaft der #NoG20-Demonstrierenden‘. Der Beitrag schließt mit einem Fazit ab.
Wie an der Auswahl der relevanten Themenbereiche dieser Arbeit zu erkennen ist, orientieren diese sich ebenfalls hauptsächlich an den Inhalten des working papers des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20), da dieses die quantitative Datenbasis dieser Arbeit darstellt.
Kapitel I)
Positionierung und Anliegen der #NoG20-Demonstrierenden bezüglich des G20-Gipfels
Hauptthemen der #NoG20 Demonstrierenden
(Haunss et. al. 2017: #NoG20: 11, Abbildung 6)
Beschäftigt man sich mit der politischen Einstellung der #NoG20-Demonstrierenden, so ist für ein Grundverständnis ihres Protests besonders wichtig zu wissen, welche politischen und sozialen Themen für die Demonstrierenden überhaupt wichtig sind. Wie in der obigen Grafik zu erkennen ist, gab es bestimmte Themen und Motive, die für die Demonstrierenden besonders wichtig waren (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 11 online). Für die Demonstrierenden des 08. Juli 2017 waren die drei relevantesten Themen ‚Demokratie und Menschenrechte‘ mit ca. 48%. Es folgen ‚Soziale Gerechtigkeit‘ mit ca. 46% und ‚Armut und Hunger‘ mit ca. 35%. Zwischen 26% und 32% liegen die Themen ‚Globalisierung und Welthandel‘ (ca. 32%), ‚Sexismus‘ (ca. 31%); ‚Frieden‘ (ca. 28%), ‚Flucht und Migration‘ (ca. 27%) sowie ‚Europäische Krisenpolitik‘ (ca. 26%) und ‚Kolonialismus und Imperialismus‘ (26%) (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 11 online).
Betrachtet man diese Motive mit Blick auf ihre Substanz genauer, so stehen besonders die Themenbereiche ‚Armut und Hunger‘; ‚Frieden‘ sowie ‚Flucht und Migration‘ und ‚Europäische Krisenpolitik‘ sachlich-inhaltlich in Bezug zueinander. Auch die Interviewten äußern sich zu diesen Themen meist im Zusammenhang. Aus ihrer Sicht „geht einiges schief, ob das jetzt [die] […] verfehlte Flüchtlingspolitik von Deutschland und [der] EU ist“ (Interview C: 12.09.2017) oder
„ob das jetzt Kim Jong-Un ist […] und der Irak- und der Syrienkrieg und der ist […] ja auch seit mehreren Jahren. Es gibt so viele Brennpunkte momentan, Nahostkonflikt und so weiter, ja und das sind ja nur die Sachen, wo die westlichen Medien drauf schauen, da gibt es ja noch viel mehr“ (Interview C: 12.09.2017).
Das Thema ‚Kolonialismus und Imperialismus‘ ist für das Verstehen der Wahrnehmung der Weltordnung der befragten Demonstrierenden sehr wichtig. So stellt eine Interviewpartnerin heraus, dass man „einfach immer noch […] das Gefühl [habe] […], dass es da um […] eine Unterscheidung zwischen ehemals kolonialisierten und kolonialisierenden Ländern“ gehe (Interview E: 23.09.2017), die durch das Gipfeltreffen deutlich symbolisiert wird.
Bezüglich des Themenbereichs ‚Soziale Gerechtigkeit‘ wird von einer Interviewpartnerin die Meinung vertreten,
„dass so jeder Mensch voll wertvoll ist und […] [es] motivieren dann halt auch Ungerechtigkeiten zum Beispiel, dass einige Menschen mehr Privilegien haben, als die anderen und diese Ungerechtigkeit ist halt wichtig sichtbar zu machen, aber irgendwie halt auch aufzuheben, auch wenn das mega schwer ist“ (Interview B: 11.09.2017).
Dies kann man auch auf die Kategorie ‚Globalisierung und Welthandel‘ beziehen; so stehen dort besonders „globale Gerechtigkeit [und die] Bekämpfung der Ausbeutung in Entwicklungsländern“ (Interview E: 23.09.2017) im Mittelpunkt.
Ein weiterer Punkt, der zwar bei den quantitativen Umfragen weniger relevant war, allerdings die Interviewten sehr stark beschäftigte, war das Thema ‚Umweltschutz und Nachhaltigkeit‘ (ca. 16%) (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 11). Dies liegt eventuell an der Zusammensetzung und Auswahl der InterviewpartnerInnen. In den Einzelinterviews wird deutlich, dass die (Welt-)politik in der Verantwortung gesehen wird, etwas gegen den Klimawandel zu tun. „[E]s wird halt immer brenzliger und wichtiger, dass da was getan wird gegen den […] Klimawandel“ (Interview D: 15.09.2017). Man sieht die G20 und „irgendwo die Politik und auch die Weltpolitik in einer recht großen Verantwortung“ (Interview D: 15.09.2017). Der G20-Gipfel sei zudem aus Klimasicht zu hinterfragen,
„vor allem, wenn man sich die ganzen Wirtschaftsmächte anguckt, die dahingehen. Wenn es Amerika ist, die jetzt […] aus dem Klimaabkommen aussteigen, ob es China ist mit dem größten CO2-Ausstoß weltweit und Deutschland ist auch nicht gerade gut dabei also größte CO2-Quelle hier in NRW mit dem Tagebau“ (Interview C: 12.09.2017).
Es werde „unglaublich wenig über […] die Natur, über die Umwelt gesprochen, über Umweltprobleme und es geht halt […] einfach viel zu sehr eben um […] Wirtschaftspolitik“ (Interview E: 23.09.2017).
Auffällig ist hier somit besonders die Vielseitigkeit der Themenbereiche, welche für die Demonstrierenden von Interesse sind. Es wird sich nicht auf ein zentrales Einzelthema bezogen, sondern eher das Gesamtbild der politischen, sozialen und ökonomischen Umstände gesehen. Daraus lässt sich schließen, dass die Demonstrierenden eine vielseitig politisch interessierte Gruppierung darstellen, die das globale und politische Geschehen besonders vor dem Hintergrund der Politik der G20 sehr kritisch sehen. Bereits hier zeichnet sich eine Unzufriedenheit mit den momentanen Zuständen der globalisierten Welt ab.
Einstellungen der Demonstrierenden zu den G20
Basierend auf der Erkenntnis, dass es bestimmte Brennpunkt-Themen für die Demonstrierenden gibt, folgt nun die Beurteilung des politischen Umgangs der G20 mit diesen Missständen aus der Sicht der Demonstrierenden. Betrachtet man die Bewertung von aktuellen internationalen Konflikten und Krisen, so geht aus dem Forschungsbericht des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung deutlich hervor, dass ein Großteil der Demonstrierenden die G20 und deren Politik dafür „verantwortlich mach[en]“ (Haunss et. al. 2017: #NoG20: 13). So sehen auf der Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ 53,9% der Demonstrierenden die Schuld für globale Probleme und Missstände bei den G20-Staaten (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 13)
Auch in den Interviews wird diese Meinung vertreten und steht oft im Mittelpunkt; so äußerten die Demonstrierenden in den Interviews beispielsweise den Wunsch, dass die G20
„so langsam realisieren, dass sie mit der Politik, die sie im Moment fahren […] nicht die nächsten 50 Jahre weitermachen können. Weil das eben irgendwann gegen die Wand fährt, […] weil da […] die Politik, wie sie gemacht wird von den mächtigsten Männern und Frauen der Welt auf Kosten von Umwelt und den normalen […] BürgerInnen läuft“ (Interview D: 15.09.2017).
Auslöser für die Entscheidung zur Teilnahme an den #NoG20-Demos waren bei einer Interviewpartnerin
„die weiterandauernden Konflikte und Kriege, die geführt werden. Ja zum Beispiel in […] Syrien, im Irak, ja in anderen Ländern, aber auch afrikanischen Ländern. Dann ist so ein Punkt der […] Flucht auf jeden Fall, der mich bewegt, wo ich einfach finde, dass das ganze Thema falsch angegangen wird und eben wenig auf die ganzen Ursachen von Flucht geschaut wird, ob das jetzt zunehmender Waffenexport anstatt […] jegliche Bekämpfung von Kriegen an den Wurzeln [ist]“ (Interview B: 11.09.2017).
Insgesamt ist es auffällig, dass sich die Interviewten mehrheitlich deutlich antagonistisch gegenüber dem G20-Gipfel an sich äußerten. Sie kritisieren somit nicht nur die Politik, die von den G20 betrieben wird, sondern stehen dem Konzept der Gemeinschaft der 20 wirtschaftlich stärksten Länder generell kritisch gegenüber. So wird beispielsweise kritisiert, dass
„halt ja der G20-Gipfel von sich selbst sagt, dass sie die 20 mächtigsten Länder einladen, die 20 mächtigsten Menschen sozusagen. Und das ist, finde ich, halt schon eine arrogante Aussage, das ist halt schon so krass irgendwie, dass man irgendwie von, weiß ich nicht, ich glaube, es gibt ja 160 Länder oder was, dass man einfach ja davon ausgeht ‚Ja ok, wir sind aber die wichtigsten und deswegen haben wir alles zu entscheiden‘. […] Das stört mich einfach, dass es da so eine Arroganz gibt (Interview: E: 23.09.2017).
Die Rede ist unter anderem von „eine[r] Politik der Ausgrenzung […]“ (Interview B: 11.09.2017) zumal
„dieses Konzept der G20-Treffen nicht einleuchtend ist, dass da ja Staaten, die ja wirtschaftlich eindeutig in diesem ganzen so auf Geld basierenden System eh schon eine hohe Stellung haben, aber auch jetzt alleine über […] etwas entscheiden […] und dass diese Politik einfach unglaublich schrecklich und unsolidarisch und irgendwie auch zum Teil menschenverachtend“ (Interview B: 11.09.2017) sei.
Stattdessen wird es von den Demonstrierenden eher begrüßt, „wenn sich Politiker in Kleingruppen treffen oder in Arbeitsgruppen, aber dann […] thematisch und dann nicht gesagt wird, dass sich jetzt 20 in Anführungszeichen reiche Länder treffen.“ (Interview B: 11.09.2017) Auch werde die Gesellschaftsordnung, die die G20 repräsentieren, abgelehnt, so stünden die Vertreter der G20 „halt auch für eine Gesellschaftsform, in der halt auch die Verwertung irgendwie von Menschen, von Waren, von Geld halt irgendwie das Zentrale ist“ (Interview A: 07.09.2017).
Kapitel II: Biographischer Hintergrund der #NoG20-Demonstrierenden
Einstellungen zu Demokratie und politischer Praxis
Während die Idee der Demokratie generell von 88% der befragten Demonstrierenden vertreten wird und somit als gewünschtes Regierungsmodell begrüßt werde, sei es besonders auffällig, dass nur 21% der Demonstrierenden mit der Ausführung und der Bewertung „des tatsächlichen Funktionierens der Demokratie“ (Haunss et. al. 2017: #NoG20: 15) momentan wirklich zufrieden seien (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 15).
Diese Erkenntnis wird noch interessanter, wenn man das Vertrauen der Demonstrierenden in Institutionen und Trägergruppen der repräsentativen Demokratie näher betrachtet. So ist auffällig, dass 47,6% der Demonstrierenden den Parteien nur wenig Vertrauen schenkten und 57,3% der Demonstrierenden der Regierung relativ wenig Vertrauen entgegenbrächten. (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 16). Unter den Demonstrierenden herrscht somit eine auffällig hohe Unzufriedenheit in Bezug auf die praktische Ausführung der Demokratie (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 15).
Auch die interviewten Demonstrierenden äußern sich der momentanen parteipolitischen Situation und Regierung gegenüber kritisch. So verlautet ein Interviewpartner, dass er „das Vertrauen in […] Parteipolitik weitestgehend verloren“ (Interview A: 07.09.2017) hat.
„Ja, es ist ein bisschen schwierig, weil ich eigentlich kein also… kein Fan von […] der bestehenden Parteipolitik bin, weil ich mich durch keine Partei zu 100% [eben vertreten fühle], was natürlich auch nicht möglich ist, aber das ist eben auch mein Problem […]“ (Interview D: 15.09.2017),
klagt ein Demonstrierender. Es werde „nichts getan, um mehr auf die BürgerInnen einzugehen“ (Interview D: 15.09.2017) und man „verstehe nicht ganz, wieso man [die Politik] darauf nicht […] reagiert“ (Interview D: 15.09.2017).
Die Unzufriedenheit und das Misstrauen in die derzeitige Politik zeigt besonders auch der Wunsch „die direkte Demokratie weiter auszubauen“ (Interview D: 15.09. 2017).
Dieses Anliegen verdeutlicht auch, dass die Demonstrierenden ein aktives Verständnis von einer Demokratie haben, so verbinden sie die Demokratie besonders auch mit einer Verantwortung der Bürger selbst für das politische Geschehen. So sei es eines Interviewpartners zufolge besonders die
„Überzeugung, dass es einfach eine Notwendigkeit ist, dass wir politisch und sozial aktiv sind, weil ohne, dass eben die BürgerInnen in einem Land irgendwie politisch und sozial aktiv wären, würde […] die Demokratie eben nicht funktionieren, wie sie funktionieren soll. […] Zum politischen Engagement gehört eben nicht nur, dass man wählen geht, sondern eben noch viel mehr, wie eben Demonstrationen und etc.“ (Interview D: 15.09.2017).
So drückt Person E ihren Beweggrund folgendermaßen aus:
„selbstverständlich, dass sobald ich mir darüber bewusstwerde, dass da irgendwie ein Fehlstand ist […] in der jetzigen Politik […], dass man dann sozusagen aufschreit, ne? […]. [D]ann möchte ich halt nicht einfach nur danebenstehen, sondern […] auch wenn es vielleicht ein bisschen aussichtslos erscheint, aber dann möchte ich halt wenigstens das Gefühl haben, ich bin in der Bewegung gegen diese Ungerechtigkeit. So habe ich irgendwas getan…“ (Interview E: 23.09.2017).
Während die Demonstrierenden selbst eine aktive Lösung und Konfrontation für ihre Unzufriedenheit mit den politischen Umständen suchen und diese in politisches und soziales Engagement und Potential umwandeln, ist ihnen zugleich bewusst, dass die Unzufriedenheit bei anderen Bürgern, die nicht so aktiv eingestellt sind, dazu führt, dass „eben viele Menschen […] die Politik einfach nicht ernst nehmen, weil sie nicht sehen, was es ihnen überhaupt bringt“ (Interview E: 23.09.2017). So sei man sich bewusst, „dass es einen hohen Prozentsatz an Nichtwählern gibt, dass eben die Politikverdrossenheit in unserem Land, wie sie immer genannt wird, sehr hoch ist“ (Interview D: 15.09.2017).
Man kann somit festhalten, dass das politische Verständnis von Demokratie der Demonstrierenden sehr aktiv und konstruktiv ist, mit dem Willen auch selbst anzupacken. Trotz aller Kritik an den G20 und den momentanen politischen Umständen sehen sich die Demonstrierenden selbst und alle anderen BürgerInnen auch in einer großen Verantwortung für das politische Geschehen und werden selbst aktiv für eine Verwirklichung ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Vorstellungen, Meinungen und für eine gerechtere Politik.
Politische Selbsteinschätzung der #NoG20-Demonstrierenden
Wie erwartet zeigen die quantitativen Ergebnisse der Umfrage, dass sich der Großteil der Demonstrierenden des 08. Juli 2017 links der Mitte auf einer Links-Rechts-Skala des politischen Spektrums einordnet. Ganze 86,5% positionieren sich klar im linken Bereich des politischen Spektrums (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 16). Auch die befragte Person D sagt von sich selbst, dass sie „in der linken Ecke auf jeden Fall aktiv“ (Interview E: 23.09.2017) sei und die interviewte Person A fokussiert sich darauf „linke emanzipatorische Inhalte […] [zu] vertreten“ (Interview A: 07.09.2017).
Während diese Erkenntnis nicht sonderlich überraschend ist, ist es umso interessanter zu sehen, welchen Bewegungen sich die Demonstrierenden zugehörig fühlen. So sehen sie sich selbst als „Teil der Mensch-Bewegung, also die irgendwie für Mensch-Sein kämpfen ohne nationale oder ja […] sagen wir ohne nationale Gedanken, also im Weltbürgertum denken“ (Interview B: 11.09.2017). Weitere Bewegungen sind klar der „Umweltschutz [und die] Klimabewegung“ (Interview C: 12.09.2017) aber auch „immer wieder soziale Themen und so Themen wie Antirassismus, globale Gerechtigkeit und so weiter“ (Interview C: 12.09.2017).
Politisches Engagement der #NoG20-Demonstrierenden
Besonders auffällig ist bei der Betrachtung des politischen Engagements der #NoG20-Demonstrierenden, dass diese über viel Protesterfahrung verfügten. So seien besonders die TeilnehmerInnen der Demo „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ protesterfahrener als die Teilnehmer anderer Anti-G20-Demos (vgl. Haunss et. al. 2017: #NoG20: 19).
Dies spiegelt sich auch in den geführten Interviews wider. So erzählten die Interviewten beispielsweise von Teilnahmen an „der COP in Paris und bei der Klimakonferenz 2015“ (Interview E: 23.09.2017), „Anti-Atomkraft-Protesten […] 2010/2011“ (Interview E: 23.09.2017), „Bildungsprotesten, damals der Bildungsstreik“ (Interview A: 07.09.2017), „Protest gegen Neonazis“ (Interview A: 07.09.2017), die „Blockupy-Proteste 2013“ (Interview A: 07.09.2017) sowie der „Anti-TTIP-Demo“ (Interview C: 12.09.2017) oder Demonstrationen in Form von „Flashmobs“ (Interview B: 11.09.2017).
Man kann somit festhalten, dass bezüglich der Teilnahme an den #NoG20-Demos bereits eine Vorgeschichte des politischen Engagements von Seiten der Demonstrierenden existiert und die Demonstrierenden bereits seit längerer Zeit auf Demonstrationen politisch aktiv sind.
Soziales Engagement und hauptberuflicher Einsatz für die Gesellschaft
Wie oben bereits erwähnt, suchen die #NoG20-Demonstrierenden eine aktive Auseinandersetzung mit den Missständen in der Gesellschaft und reagieren mit konstruktiver Beteiligung am gesellschaftlichen Geschehen. Im Zentrum steht hier die Frage, inwiefern sich Demonstrierende auch über die Teilnahme an Protesten hinaus zivilgesellschaftlich einbringen und inwiefern sich das auch in ihrer beruflichen Laufbahn widerspiegelt.
So zeigt sich zunächst, dass die meisten interviewten Demonstrierenden, welche hauptberuflich in sozialen Bereichen arbeiten, auch nebenbei noch zusätzlich ehrenamtlich aktiv sind. So ist eine der interviewten Personen zum Beispiel hauptberuflich bei einer Umweltorganisation tätig und zusätzlich ehrenamtlich bei einer anderen Umweltorganisation und einigen anderen kleinen unabhängigen Projekten. Eine andere interviewte Person arbeitet mit jungen Leuten in einem „entwicklungspolitische[n] Netzwerk […] und [ist] ansonsten […] ein bisschen in Bündnissen oder Gruppen auch gegen ‚Rechts‘ unterwegs“ (Interview B: 11.09.2017).
Organisiert werden „Veranstaltungen oder Aktionen, die oft so einen globalen Bezug haben. Beim Thema, was hat unser Handeln vor Ort mit Arbeitsbedingungen oder anderen wirtschaftlichen Beziehungen in anderen Ländern zu tun“ (Interview B: 11.09.2017). Des Weiteren wurden zum „Weltflüchtlingstag […] eine Solidaritätsaktion […] organisiert […] oder […] Kleidertausch-Cafés, wo […] halt auch auf die Arbeitsbedingungen so einer Kleiderindustrie“ (Interview B: 11.09.2017) hingewiesen wird.
Einige Interviewte berichten zudem, dass sie zum Beispiel bereits zu
„Schulzeit[en] eben bei […] [einer] Jugendinitiative“ (Interview E: 23.09.2017) aktiv waren und/oder anschließend „einen Bundesfreiwilligendienst“ (Interview E: 23.09.2017) oder „ein freiwilliges […] Jahr absolviert[en]“ (Interview C: 12.09.2017).
Insgesamt ist das Engagement der Demonstrierenden sehr vielseitig: es reicht von Aktivitäten im Bereich globaler Entwicklungspolitik wie zum Beispiel „Informationsveranstaltungen […] meistens zu Konsum“ (Interview E: 23.09.2017), über Umweltschutz „zum Beispiel Aktionen zu Massentierhaltung“ (Interview E: 23.09.2017), „Anti-Plastik-Aktionen“ (Interview C: 12.09.2017) bis hin zu Aktionen im „antifaschistischen Kontext“ (Interview E: 23.09.2017) oder Informationsveranstaltungen im Rahmen von Hochschulpolitik. Im Mittelpunkt steht auch das Engagement für Geflüchtete, dieses stehe bei einem Interviewpartner besonders vor dem Hintergrund
„Geflüchteten die Möglichkeit zu geben, dass sie sich […] irgendwie selber […] organisieren […] und dafür zu sorgen, dass Menschen hier vernünftig ankommen können. Dass sie halt nicht irgendwie beispielsweise auf den Ämtern oder so halt einfach so abgebügelt werden“ (Interview A: 07.09.2017).
Im Hinblick auf den Kampf gegen Rassismus und Nationalismus gehe es einem Interviewpartner beispielsweise darum „Neonazis vor Ort halt irgendwie kleinzuhalten [und] […] was sie halt tun, zu beobachten“ (Interview A: 07.09.2017). Dazu gehört auch die Teilnahme an Demonstrationen gegen ‚Rechts‘.
Besonders wichtig sei laut einer weiteren Interviewpartnerin allerdings, unabhängig von einem bestimmten Themenbereich, dass man „irgendwie dazu mobilisiert, auch Leute, die da sonst nicht so aktiv sind“ (Interview E: 23.09.2017), sich ebenfalls zu engagieren oder sich politisch über ihre eigene Verantwortung für die Zustände und die Politik bewusst zu werden.
Man kann somit sagen, dass die von den Demonstrierenden über die Beteiligung an Protesten hinaus verfolgten ehrenamtlichen Tätigkeiten genau so vielfältig sind wie ihre politischen Interessen selbst. Von einem Demonstrierenden exemplarisch herausgestellte Ziele sind „auf jeden Fall […] eine solidarische Gesellschaft, eine tolerante Gesellschaft, eine Gesellschaft mit weniger Diskriminierung, ob es jetzt Rassismus, Klassismus oder was auch immer ist und ja […] globale Gerechtigkeit“ (Interview C: 12.09.2017). Auch „Rassismus bekämpfen, Sexismus bekämpfen […] [und die] Gleichstellung aller Menschen auf der Welt“ (Interview D: 15.09.2017) werden von einem Interviewpartner herausgestellt.
Fazit:
Insgesamt kann man über die interviewten Teilnehmenden der Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ sagen, dass sie eine sehr vielseitig interessierte demokratische Gruppierung darstellen und genau so differenziert die Themen ihres Protests artikulieren. Während sich Demonstrationen regulär auf ein bestimmtes Thema beziehen, ist es hier gerade die Kombination der Motive, die dieses Protestereignis und seine Teilnehmenden so einzigartig macht.
Basis dafür ist die Unzufriedenheit der Demonstrierenden mit den momentanen globalen Zuständen, die sich auf viele Bereiche erstreckt, ob es nun Kriege in Syrien oder im Irak sind, die Ausbeutung von Entwicklungsländern, ein aus Sicht der Demonstrierenden falscher Umgang und eine falsche Auseinandersetzung mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“, zunehmende nationalistische und rassistische Tendenzen, ein zu großer Fokus auf wirtschaftliche Belange sowie Waffenexporte in Krisengebiete oder mangelhafter Einsatz für den Klimaschutz. Die Demonstrierenden spalten sich in diejenigen, die nur die momentane Politik der G20 ablehnen und jene, die dem Konzept des G20-Gipfels generell antagonistisch gegenüberstehen und darin nur eine Politik der Ausgrenzung von Seiten der wirtschaftlich stärksten Länder auf Kosten des Rests der Welt sehen.
Zum politischen Engagement der Demonstrierenden kann man sagen, dass die Demonstrierenden des 08. Juli 2017 bereits im Vorfeld Demonstrationserfahrung gesammelt haben. So vielseitig wie die Interessenbereiche sind auch die Themen der Demonstrationsereignisse, an denen bereits teilgenommen wurde. Von Anti-TTIP, über Anti-Atom, über Anti-Rassismus oder Anti-Kohlekraft-Demos, die COP in Paris oder die Klimakonferenz 2015, Bildungsstreiks und Blockupy-Proteste: alle Facetten sind vertreten und all diese Themen trifft man auf der Anti-G20-Demo des 08. Juli 2017 wieder.
Die Demonstrierenden sind große BefürworterInnen der Demokratie und wünschen sich deren Ausbau und mehr Bürgerbeteiligung. Dieser Wunsch geht insbesondere darauf zurück, dass sie sich von der momentan existierenden Ausübung der Demokratie und besonders von der Parteipolitik nicht mehr vertreten fühlen.
Politisch sehen sich die Demonstrierenden im linken Bereich des politischen Spektrums und ordnen sich klar bestimmten Bewegungen, wie der Umweltbewegung oder antinationalistischen Bewegungen, zu.
Darüber hinaus setzen sie sich auch häufig über die Teilnahme an Protesten hinaus in ihrem Ehrenamt oder Beruf für ihre Ideale ein. Aktionen im Bereich Umweltschutz, Kampf gegen Rassismus und Nationalismus, Hochschulpolitik, konsumkritische Aktionen und besonders Aufklärung und Mobilisierung Anderer lassen sich dort hauptsächlich finden.
Darauf aufbauend lassen sich bestimmte Handlungsempfehlungen erschließen, die die politische Zukunft unserer Welt positiv beeinflussen könnten. Besonders steht hier ein Ausbau und eine Weiterentwicklung der Demokratie im Vordergrund, die eine größere Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung bei politischen Entscheidungen ermöglichen sollen.
Die Parteien sollten sich bemühen, die Meinungen und Wünsche der Bürger wieder stärker wahrzunehmen und einzubeziehen, um der zunehmenden Politikverdrossenheit in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Ziel sollte es sein, Bürger dazu zu bewegen, das Einstehen für ihre Interessen als demokratische Verantwortung zu sehen und Politikverdrossenheit, Desinteresse sowie Wahlenthaltungen vorzubeugen. Nur eine Politik, die näher an den Bürgern ist und deren Anliegen ernst nimmt, kann deren Interessen erfolgreich vertreten und Protestwahlen Vorschub leisten.
Ein weiterer Punkt, welcher kontraproduktiv für die Interessen und auch die Interessenartikulierung zwischen BürgerInnen und Politik ist, ist eine weitere Verschärfung und/oder Einschränkung des Demonstrationsrechts in Folge der Debatte über die Eskalation in Hamburg. Solche Maßnahmen erschweren es, engagierten, kreativen und friedlich demonstrierenden Menschen ihren Beitrag zur politischen Mitbestimmung außerhalb der Wahlen zu leisten und die Politik auf ihre Meinungen aufmerksam zu machen.
Auf die globale Politik bezogen ist es besonders der Faktor der Solidarität, der vermisst wird und neben wirtschaftlichen Schwerpunkten untergeht. Eine Weltpolitik, in der sich weniger auf die nationalen oder wirtschaftlichen Ziele der einzelnen Länder, sondern sich eher auf eine solidarische, soziale, internationale Gemeinschaft mit dem Ziel der globalen Gerechtigkeit, Gleichstellung oder der Erhaltung des Planeten besinne, könnte die Basis für eine Strategie zur Umsetzung der Wünsche und Ziele der Anti-G20-Demonstrierenden bilden.
Alles in allem kann man sagen, dass sich die Menschen, die am 08. Juli 2017 in Hamburg an der Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20!“ teilgenommen haben, ähneln. Entgegen der medialen Aufmerksamkeit, die sich hauptsächlich auf die gewalttätigen Zerstörungen und die Debatte über Polizei- und Demonstrierendengewalt beschränkte, und die restlichen Protestaktionen vernachlässigte, sollte diese Arbeit den Blick auf die engagierten, seriösen und friedlichen Proteste von Menschen richten, die nach Hamburg kamen, um ihren persönlichen Beitrag zur politischen Mitbestimmung und Gesellschaftsgestaltung zu leisten. Es handelt sich um Personen, die sowohl sozial als auch politisch unabhängig von den #NoG20-Protesten tagtäglich aktiv sind. Für sie endet der Einsatz für die Gesellschaft nicht am 08. Juli 2017 mit dem Ende des G20-Gipfels, mit dem auch der mediale Blick sowie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für Missstände in der aktuellen Weltpolitik wieder schwindet. Sie führen ihren Einsatz „für eine bessere Welt“ (Interview D: 15.09.2017) in ihrem Alltag fort, ob es sich nun um weiteres politisches Engagement wie zum Beispiel Demonstrationen handelt, ehrenamtliches zivilgesellschaftliches Engagement oder ob sie einem Beruf nachgehen, welcher gesellschaftlich und sozial ausgerichtet ist.
Ein Beitrag von Beatrice Oster
Literaturverzeichnis
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Ich finde es wichtig und gut, dass hier in diesem Artikel auch gezeigt wird das G20 Demonstranten nicht Krawallmacher und Gewalttäter waren. Sondern auch politische interessierte Menschen, die für legitime pol. Forderungen auf die Straße gegangen sind. Auch die qualitative Methode des Interviews ist, aus dieser Sicht besonders sinnvoll um die Beweggründe aufzuzeigen. Wie z.B.:
„Die Unzufriedenheit und das Misstrauen in die derzeitige Politik zeigt besonders auch der Wunsch „die direkte Demokratie weiter auszubauen“