Ein verpackungsfreier Supermarkt als Antrieb und Ergebnis bürgerschaftlichen Engagements
NRW ist anders – und das Ruhrgebiet ganz besonders. Es hat weder das internationale Flair von Frankfurt noch die außergewöhnliche Anziehungskraft Hamburgs, ist weniger schick als München und schon gar nicht so populär wie Berlin – aber im Ruhrgebiet leben Menschen, die es zu etwas Besonderen machen. Menschen, die sich für das einsetzen, das ihnen am Herzen liegt, sich engagieren und Wandel anstoßen wollen. Dazu geht jeder dritte Ruhrgebietler einer freiwilligen Tätigkeit in Organisationen, Vereinen oder Verbänden nach.
Im Jahr 2016 überstieg die Zahl der eingetragenen Vereine in Deutschland erstmals die Schwelle von 600.000. Doch nicht nur die Zahl der Organisationen stieg, sondern auch die Zahl der MitgliederInnen in vielen Organisationen. Immerhin ein Drittel der Organisationen gibt an, heute mehr MitgliederInnen zu haben als im Jahr 2012. (Ziviv-Survey, 2017)
Etwas über 120.000 der deutschen Vereine sind dabei in das nordrhein-westfälische Register eingetragen, was gut jedem fünften entspricht. Somit kommen auf 1000 Einwohner 6,7 Vereine (vgl. Ziviz-Survey, 2017). Neben Berufs- und Wirtschaftsverbänden sind Vereine, die sich dem Umwelt- und Naturschutz sowie Verbraucherinteressen widmen, diejenigen, die seit 2012 die stärksten Mitgliederzuwächse verzeichnen können. Vom sogenannten Vereinssterben kann zumindest in diesem Punkt nicht die Rede sein. Während 42% der Vereine der Verbraucherinteressen im großstädtischen Raum beheimatet sind, sind es nur ein Viertel der Vereine, die den Umweltschutz zum Ziel haben. Obwohl das Ruhrgebiet mit 5,1 Millionen Einwohnern verteilt auf 15 Städte und Kreise als größtes Ballungsgebiet Europas gilt, findet man hier nur eine Handvoll verpackungsfreier Supermärkte, wohingegen ähnlich viele schon in einer Stadt wie Hamburg oder Köln zu finden sind.
Eine Richtung, die immer größere Aufmerksamkeit genießt, ist dabei die sogenannte Zero Waste-Bewegung, mit der nichts Anderes gemeint ist als Müll weitestgehend bis vollständig zu vermeiden zu wollen. Das Zukunftsinstitut mit Sitz in Frankfurt am Main ist sich dabei sicher: „Der Zero Waste-Trend ist mehr als nur der nächste Ökotrend. Das Precycling wird als Nachfolger des Recycling Märkte und Wirtschaft verändern.“ Ein Bespiel für einen Verein, der in einem solchen Handlungsfeld operiert, ist die Füllbar e.V. in Witten, die sich als Träger eines Lebensmittelmarktes zum Ziel gesetzt hat, verpackungsfreies Einkaufen zu erleichtern und den Weg hin zu einer deutlichen Reduktion von Müll zu ebnen. Diese Idealvorstellung erzeugt nicht nur eine völlig neue Art des Konsums, sondern führt auch zu einer Weiterentwicklung bisher dagewesener Engagementformen.
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Uns erschien daher die Auswahl der Füllbar e.V. vor dem Hintergrund der überschaubaren wissenschaftlichen Fachliteratur zum Thema Zero Waste als ein geeigneter Gegenstand, um die Engagementkultur im Bereich des Umweltbemühens zu untersuchen und so Erkenntnisse zum aktuellen Forschungsstand beizutragen. Sichtet man die aktuelle Tagespresse, wird ein quantitatives Missverhältnis zwischen dortiger Berichterstattung und der Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zum selbigen Thema deutlich. So reichten die medial präsenten Titel von „Max Mustermann verbraucht 37 Kilo Plastik im Jahr“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2017) und „Trend Zero Waste: Der Jahresmüll in einem Glas“ (Süddeutsche Zeitung, 2017) über Ratgeber, die der Frage „Wie vermeidet man Müll?“ (Stuttgarter Zeitung, 2017) nachgehen bis hin zu Reportagen über Selbstversuche: „Eine Woche keinen Abfall produzieren – geht das?“ (Welt, 2016).
Gründe dafür mögen zum einen sein, dass Kennzeichen der Presse Schnelllebigkeit und Aktualität ist und sie somit rasch auf Trends in der Bevölkerung reagiert. Die Wissenschaft hingehen einen längeren Zeitraum benötigt, um zu gefestigten und validen Aussagen zu kommen. Um diesen Prozess voran zu bringen, haben wir mit der Erforschung der Füllbar e.V. einen Grundstein für weitere und intensivere Forschung auf diesem Gebiet gelegt.
Unsere Erkenntnisse basieren hierbei auf qualitativen Interviews, die wir sowohl mit Personen aus dem Gründerteam der Füllbar als auch mit deren NutzerInnen geführt haben. Durch diese Gespräche wurden uns differenzierte Einblicke in ein breites Spektrum unterschiedlichster Handlungsweisen des Engagements im Bereich Zero Waste ermöglicht. Die GründerInnen gaben uns dabei einen Eindruck über den Umfang und die Art ihrer freiwilligen Tätigkeit, die eine ganz besondere Form des ehrenamtlichen Engagements darstellt. Wir konnten anhand der Interviews mit den NutzerInnen der Füllbar weitere Abstufungen und Interessenlagen des Engagements rund um die Thematik der Müllvermeidung ausmachen und so unterschiedliche Motive sowie Hemmnisse für eine verstärkte Tätigkeit identifizieren. Bei den qualitativen Interviews handelte es sich um teilstandardisierte Befragungen, die mithilfe eines vorher erstellten Leitfadens durchgeführt wurden. Dazu entwickelten wir jeweils einen aus identischem Grundgerüst und ähnlichen Frageblöcken bestehenden Leitfaden, der jedoch an die individuellen Gegebenheiten der GründerInnen sowie NutzerInnen angepasst wurde und uns dazu diente, die unterschiedlichen Aspekte des Engagements herauszuarbeiten. Im ersten Block wurden sowohl die GründerInnen als auch NutzerInnen zu ihren Motiven befragt, sich zu engagieren. Dabei ging es unter anderem um die Herausforderungen bezüglich der Integration des Zero Waste-Gedanken in den Alltag und um ihr eigenes Verständnis des Engagements als Teil einer Bewegung. Bei den GründerInnen interessierte uns hierbei auch die Frage, welche Schwierigkeiten sich bei der Eröffnung der Füllbar ergeben haben und, welche Probleme in der aktuellen Alltagspraxis bestehen. Der zweite Block befasste sich mit den möglichen Effekten ihres Engagements, sowohl auf ihr soziales Umfeld, als auch auf die Gesellschaft selbst. Hierbei wurde einerseits nach eigenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Zero Waste-Gedanken gefragt, andererseits nach dem Feedback weiterer Personen. Im dritten und letzten Block fragten wir die GründerInnen und NutzerInnen nach Handlungsempfehlungen an die Politik und andere Akteure, um das Konzept des Zero Waste zu etablieren.
Um zu verdeutlichen, inwiefern ein verpackungsfreier Supermarkt als Antrieb und Ergebnis bürgerschaftlichen Engagements fungieren kann, wollen wir zunächst der Frage nachgehen, was Zero Waste als Ausdruck eines müllreduzierten Lebensstils ausmacht. Dabei wollen wir unser Augenmerk besonders auf die Folgen der überdurchschnittlichen Nutzung von Plastik und dessen Recycling richten. Das Bewusstsein für die zunehmende Müllproblematik ist in den letzten Jahren innerhalb der Bevölkerung merklich gestiegen, sodass eine Trendwende im Konsumverhalten spürbar geworden ist. Die Füllbar in Witten folgt dieser Entwicklung und bietet sowohl unverpackte Lebensmittel als auch Drogerieartikel an und lädt regelmäßig zu Workshops ein, die sich mit diversen nachhaltigen Themen auseinandersetzen. Neben der Freiwilligkeit und unentgeltlichen Tätigkeit der Engagierten gibt es noch weitere Merkmale, die das bürgerschaftliche Engagement kennzeichnen. Menschen, die bürgerschaftlich engagiert sind, treibt eine besondere Motivation an, die es auch den GründerInnen der Füllbar ermöglichte, ihre Idee zur Realität werden zu lassen. Wir haben neben der Motivation auch das Engagement der einzelnen GründerInnen und NutzerInnen untersucht und sind zu der Erkenntnis gelangt, dass sich diese in verschiedene Typen kategorisieren lassen. Um unsere Hypothesen in den sozialwissenschaftlichen Diskurs einzuordnen, haben wir einen Vergleich mit aktuellen Studien und Annahmen der bestehenden Literatur angestellt. Uns interessierte jedoch nicht nur die unterschiedlichen Beweggründe und Ausprägungen des Engagements der GründerInnen und KundInnen, sondern auch, inwiefern Veränderung im Bereich der Nachhaltigkeit angestoßen und erzeugt werden kann. Im Fazit werden die Ergebnisse unserer Interviews resümiert. Zudem wird ein Ausblick für tiefergehende Forschungen gewährt und zusammengefasst, inwieweit sich zum einen verschiedene Engagementtypen gegenseitig bedingen, welche Faktoren es andererseits braucht, um langfristiges Engagement zu generieren und welche Rolle die Füllbar bei diesem Prozess einnehmen kann.
Zero Waste – was ist das eigentlich?
Viele Zero Waste-Bewegungen haben sich neben dem grundlegenden Schutz der Umwelt über das eigene Konsumverhalten auch eine verstärkte Aufklärungsarbeit zum Ziel gesetzt. Unweigerlich ist mit diesen Ambitionen die Frage verbunden, inwieweit ein auf Zero Waste ausgerichtetes Lebens zum Umweltschutz beitragen kann?
Bereits die Übertragung des Begriffs Zero Waste ins Deutsche lässt auf die Kernaussage schließen. Während Zero simpel mit Null zu übersetzen ist, bedeutet Waste Abfall, Müll, Verlust, Ausschuss, Verschwendung, unnützen Aufwand, Verfall, Vergeudung sowie Verschleiß und zum anderen auch überflüssig, öde, überschüssig, unbrauchbar, ungenutzt, wüst, verschwendet oder vergeblich. Konkret meint Zero Waste also weder Abfall beziehungsweise Müll zu produzieren, noch überflüssigen Aufwand zu betreiben oder Ressourcen zu verschwenden. Durch eine minimalistischere Lebensweise soll ein Beitrag zum Erhalt dieser natürlichen Ressourcen geleistet werden und der menschliche Lebensraum geschützt werden. Der Fokus der Müllvermeidung liegt besonders auf der Reduzierung des Plastikverbrauchs. Wie lange Plastikmüll allerdings im Meer überdauert, bis er sich vollkommen in seine nicht-synthetische Bestandteile zersetzt hat, sei schwer abzuschätzen. Weil es Plastik erst seit den 50er Jahren gibt, seien statistische Daten noch nicht verfügbar, wird in einem Themenpapier Meere und Ozean des Wissenschaftsjahres 2016 auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung betont. Schätzungen gehen derweil von einer gravierenden Dauer aus: „Eine Plastiktüte zerfällt frühestens nach 100 Jahren. Plastikflaschen benötigen laut Umweltbundesamt sogar 450 Jahre für ihre Zersetzung“ (Bunk und Schubert, 2016: 9). Verlässliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass Plastik zum einen unsere Artenvielfalt in den Ozeanen bedroht, da die giftigen Chemikalien und Weichmacher freigegeben und somit in die Umwelt gelangen und zum anderen in den Organismen von Mensch und Tier zu Hormonveränderungen führt (Vgl. Bunk und Schubert, 2016: 9). Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schadstoffe, die in den Alltagsprodukten aus Plastik zu finden sind, im menschlichen Körper nachgewiesen werden konnten. Es ist zu vermuten, dass eine Verbindung zwischen diesen Belastungen und zahlreichen Zivilisationskrankheiten besteht. Das Besondere und zugleich Beunruhigende ist die Tatsache, dass bereits geringe Mengen der Substanzen ausreichen, um weitreichende Auswirkungen auf den Körper zu verursachen.
Bei Jungen kann die Belastung mit hormonellen Chemikalien zu Missbildungen der Geschlechtsorgane und Unfruchtbarkeit führen, bei Mädchen können verfrühte Pubertät sowie, im späteren Alter, Brustkrebs die Folge sein. Auch Allergien und Asthma – Krankheiten, die in den vergangenen Jahren verstärkt aufgetreten sind – können im Zusammenhang mit der Belastung durch hormonelle Stoffe stehen. (Plastic Planet, 2018)
Das Forscherteam der Universität Bonn stellte mithilfe von Experten an Gewebeproben von Mäusen und Menschen die oben genannten Folgen fest. Dabei steht vor allem das in vielen Kunststoffprodukten enthaltene Bisphenol A seit Jahren unter dem Verdacht „insbesondere auf Föten und Baby gesundheitsschädigende Wirkungen zu haben“ (Uni Bonn, 2012). Da die Auswirkungen nicht absehbar waren, veranlasste die EU-Kommission 2011 vorsorglich ein Verbot von Bisphenol A in Babyflaschen.
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Im Jahr 2015 verbrauchte jeder Bundesbürger mit 37 Kilogramm Plastikmüll jährlich durchschnittlich 6 Kilogramm mehr als seine europäischen Nachbarn, was einen Anstieg von 29 Prozent im Vergleich zu 2010 bedeutet (Tagesschau, 2017). Eine Studie der europäischen Statistikbehörde Eurostat hat ergeben, dass die Abfallmenge an Plastikverpackungen von 2005 bis 2015 um 12 Prozent gestiegen ist (Zeit Online, 2017). Laut Umweltbundesamt verbraucht jeder Deutsche 71 Plastiktüten im Jahr. Pro Minute werden demnach umgerechnet rund 11700 Tüten über die Ladentheke gereicht werden.
Dass der Joghurtbecher feinsäuberlich ausgespült und getrennt vom Restmüll im Gelben Sack entsorgt wird, gehört in Deutschland zum guten Ton. Im internationalen Ländervergleich hat die Bundesrepublik Potential zum Recyclingweltmeister, da rund 65 Prozent des kommunalen Abfalls wiederverwertet werden. Diese Zahlen trügen jedoch auf den ersten Blick. Denn in dieser Kalkulation sind nicht nur Kunststoffabfälle, sondern auch Papier und Glas enthalten.
Wenn es um das Recycling geht, werden die vielfältigen Eigenschaften von Kunststoff zum Problem. So werden in Deutschland mehr als 90 Prozent aller Plastikabfälle wieder eingesammelt – aber nur 43 Prozent davon wird auch recycelt und anschließend noch einmal eingesetzt. (Süddeutsche Zeitung, 2014)
Aber was passiert mit dem Rest? In unsere Ozeane gelangen jährlich über acht Millionen Tonnen Plastikmüll. Das entspricht minütlich rund einem Müllwagen, der im Meer ausgeladen wird. In einer Studie der Ellen MacArthur Foundation, die das Weltwirtschaftsforum in Auftrag gegeben hatte, fanden Forscher heraus, dass 2050 die Menge an Plastik die Menge der Fische in den Meeren übersteigen könnte. Dort verwechseln die Meereslebewesen das Plastik mit Nahrung und nehmen dieses auf. In den meisten Fällen verenden die Tiere an dem gefressenen Plastik oder verfangen sich beispielsweise in Netzen und sterben qualvoll.
In unseren Haushalten fallen aber nicht nur Plastikverpackungen an. 46 Millionen Tonnen sogenannter haushaltstypischer Siedlungsabfall, unter dem man beispielsweise Reste wie Haus- und Sperrmüll, Gartenabfälle oder verschlissene Elektronikteile fasst, sind laut Bundesumweltamt allein im Jahr 2015 in Deutschland angefallen. Verteilt man diese Menge auf jeden einzelnen Menschen in Deutschland, ergibt das einen Abfall von 650 Kilogramm pro Einwohner. Es stehen viele Alternativen zu Verfügung: reparieren, verschenken, verleihen, verkaufen, tauschen und recyceln. Das gilt als ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, doch auch damit werden leider erstmal nur die Symptome bekämpft und nicht die Ursache: eine rasant zunehmende Umweltverschmutzung verbunden mit dem omnipräsenten Klimawandel. Da die Lebensweise des Zero Waste vorsieht, nach Möglichkeit, keinen Müll zu produzieren, es eine Möglichkeit, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Diese Lebenseinstellung weist zudem zahlreiche direkte Vorteile auf. Zum einen schützen wir unsere Umwelt und damit auch alle sich darin befindenden Lebewesen, also auch uns. Zum anderen hat es auch praktikable Vorzüge: Wer einen minimalistischen Lebensstil verfolgt, hat die Möglichkeit, seinen Fokus auf elementare und individuell bedeutsame Fragen zu richten. Das spart neben Kosten, zum einen Platz, Ressourcen und Zeit.
Trendwende – von eingepackt zu hüllenlos
Einen Hinweis auf die Trendwende im Konsum geben die unzähligen Online-Blogs, die sich allesamt dem Thema möglichst wenig Müll verschrieben zu haben. Während vor wenigen Jahren Geschäfte, die Lebensmittel ohne Verpackungen verkaufen, eine wahre Rarität darstellten, werden nun in immer mehr deutschen Regionen sogenannte Unverpackt-Supermärkte eröffnet. Derweil sind deutschlandweit bereits um die 60 Läden gelistet (Stand: 2017). Auch die etablierten Bioläden reagieren auf diese Entwicklungen, indem sie verstärkt dazu übergehen, Lebensmittel und weitere Produkte aus ihrem Sortiment ohne Verpackungen anzubieten.
Dieser Trend kommt an, denn acht von zehn Kunden wären grundsätzlich bereit, Lebensmittel ohne Verpackungen einzukaufen. Die nachfolgenden Ergebnisse und Zahlen stammen aus der Verbraucherbefragung PwC-Verbraucherumfrage aus dem Jahr 2015 zu verpackungsfreien Lebensmitteln. Befragt wurden 1000 Bundesbürger ab 18 Jahren. Die Altersgruppe der 18 bis 34-jährigen ist mit 27 Prozent, die Altersgruppe 35 bis 54-jährige mit 37 Prozent und die Altersgruppe 55-jährige und älter mit 36 Prozent vertreten. Mit einem Anteil von 22 Prozent stammen die meisten Befragten aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen. 51 Prozent der Befragten waren Männer und 49 Prozent Frauen. Auf die Frage, ob die Untersuchten ihre Lebensmittel auch ohne Verpackung kaufen würden, gaben 82 Prozent an, diese verpackungsfrei zu kaufen, wenn die Möglichkeit besteht. Lediglich 18 Prozent können sich nicht vorstellen auf Tüte, Karton oder Folie zu verzichten. 35 Prozent würden ihre Produkte dann in einem Geschäft kaufen wollen, das ausschließlich verpackungsfreie Lebensmittel anbietet. Als Hauptmotiv für die Nutzung verpackungsfreier Lebensmittel gaben mehr als 60 Prozent an, damit den Verpackungsmüll reduzieren und die Umwelt schonen zu wollen. Der zweite Hauptgrund war der Vorteil genau die Menge einkaufen zu können, die sie benötigen, wodurch kein Abfall entsteht. Fast ein Drittel der Befragten wäre bereit, einen höheren Preis für Lebensmittel ohne Verpackungen zu zahlen. 69 Prozent hingegen wären nicht bereit mehr zu bezahlen. Allerdings gaben 48 Prozent an, dass sie für verpackungsfreie Lebensmittel einen weiteren Weg in Kauf nehmen würden.
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Füllbar – der Beginn einer bürgerschaftlichen Initiative
Am 20. Mai 2017 eröffnete die Füllbar nach rund zweijähriger Planungsphase in Witten. Das Ziel war dabei von Anfang an klar: Müll vermeiden und Kunden die Möglichkeit geben, Lebens- und Haushaltsmittel unverpackt einzukaufen. Zwei Studentinnen der Universität Witten / Herdecke entwickelten dafür ein Konzept, bei dem Kunden zum Einkauf ihre eigenen Behälter mitbringen und diese mit der von ihnen gewünschten Menge befüllen können. Dabei können sie aus über 60 Basislebensmitteln wählen, die allesamt Bioqualität besitzen. Das Sortiment reicht von Langkornreis, über Mehl und Hefe bis hin zu Reinigungs- und Hygieneartikeln.
Bereits zu Beginn der Idee, ein Geschäft zu eröffnen, wurde den GründerInnen klar, dass dies nicht so einfach werden würde, wie es zunächst scheint. Neben zeitlichen Aspekten spielten hierbei auch finanzielle Probleme eine große Rolle. Da es sich bei den zwei Ideenentwicklerinnen um Studentinnen handelt, schien die zeitliche Organisation eine der größten Schwierigkeiten darzustellen. „Wir sind immer auf der Suche nach neuen Mitarbeitern und Helfern“, sagt Lisa undd begründet dies mit dem Wunsch nach Entlastung, um mehr hinter den Kulissen arbeiten zu können. Aktuell besteht das Team aus insgesamt sechs ehrenamtlich Engagierten.
Ursprünglich sollte das Geschäft bereits im Oktober 2016 eröffnen, jedoch kam es zu zahlreichen Verzögerungen, nicht zuletzt aus bürokratischen Gründen. Die Frage, welche Rechtsform die geeignetste sei, stand viele Monate im Raum. Keine der GründerInnen konnte sich vorstellen, in die Selbstständigkeit zu gehen, weshalb also ein anderer Plan hermusste. Ein rechtliches Konstrukt aus Verein und Gesellschaft mit beschränkter Haftung stelle die Lösung dar. Während der Verein namens „Füllbar Witten e.V.“, der unter anderem die Räumlichkeiten einrichtet, Mitarbeiter stellt und Workshops oder Vorträge organisiert, wickelt die GmbH „Füllbar“ den An- und Verkauf der Waren ab. „Der Laden besteht im Grunde also aus zwei Standbeinen“, fasst Jenny, eine der GründerInnen, zusammen. Aber nicht nur bürokratische Probleme führten zu Verzögerungen bei der Eröffnung. Auch intern kam es zu Schwierigkeiten, nicht zuletzt, weil nicht mehr viel Zeit neben der Uni übrigblieb, um im Laden hinter der Kasse stehen zu können. So kam es also dazu, dass viele HelferInnen wieder abgesprungen sind und neue MitarbeiterInnen gesucht werden mussten. Die Lage der Füllbar lässt jedoch auf ein weiteres Problem schließen: die fehlende Laufkundschaft. Die Füllbar befindet sich auf einem Hinterhof in der Nähe der Wittener Innenstadt und ist somit zwar theoretisch gut erreichbar, jedoch schwierig zu finden. Aus diesem Grund ist es wichtig, über soziale Netzwerke oder Workshops und Vorträge auf die Füllbar aufmerksam zu machen, um so neue Kunden für ihren Laden begeistern zu können. Zudem kommt die Füllbar aufgrund ihrer höheren Preise nicht für alle Teile der Bevölkerung als Supermarkt in Frage. Aufgrund ihrer Bio-Ware scheint die Füllbar immer noch „was Exklusives“ für einige zu sein, sagt Lisa, eine der GründerInnen der Füllbar, und betont dabei, dass es eben nicht für alle möglich sei, vorrangig aus finanziellen Gründen, müllfrei leben zu können.
alle Bilder in diesem Kapitel: © Füllbar
Die Tatsache, dass alle Beteiligten freiwillig und entgeltlich dort arbeiten, stellt eine besondere bürgerschaftliche Initiative dar. Es handelt sich um bürgerschaftliches Engagement.
Bürgerschaftliches Engagement – „die Verantwortung jedes Einzelnen“
Was genau bürgerschaftliches Engagement auszeichnet, wollen wir im Folgenden näher betrachten: der Begriff Bürgerschaft verdeutlicht eine Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Dieses Engagement handelt aus dem Status eines Bürgers, einer Gemeinschaft heraus. Wenn wir von bürgerschaftlichem Engagement sprechen, ist es wichtig herauszustellen, dass es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die zum einen freiwillig und zum anderen unentgeltlich ausgeübt wird. Außerdem muss das Engagement in einem öffentlichen Raum, eine gewisse Konstanz und Erwartbarkeit haben sowie einen Gemeinwohlbezug enthalten. Eine Tätigkeit wird freiwillig ausgeübt, wenn diese ohne rechtlichen, politischen oder ökonomischen Zwang heraus ausgeführt wird. Die Engagierten entscheiden sich also von selbst dieser Tätigkeit nachzugehen und haben somit die Wahl. Bürgerschaftliches Engagement erfolgt zunächst einmal ohne Bezahlung. Allerdings gibt es doch auch bestimmte „Aufwandsentschädigungen“. Diese ökonomische Gegenleistung darf die Arbeitsleistung dabei nicht überschreiten. Die Tätigkeit muss im öffentlichen Raum vollzogen werden. Man kann nicht von bürgerschaftlichem Engagement sprechen, wenn sich der Hilfekreis auf Familie und FreundInnen bezieht. Der Hilfekreis darf somit keiner Exklusivität unterliegen und muss für jeden zugänglich sein. Ein einmaliger Einsatz kann noch nicht als bürgerschaftliches Engagement gewertet werden. Eine wiederholte Aktivität z.B. in Form eines Projekts ist eine wichtige Voraussetzung des bürgerschaftlichen Engagements. Zuletzt soll erwähnt werden, dass bürgerschaftliches Engagement „in einem weiten Sinne als aktiv gemeinwohlförderlich verstanden werden kann und erkennbar Auswirkungen zugunsten anderer Personen hat“ (Corsten, Kauppert und Rosa, 2008: 13).
Nun wollen wir betrachten, welche Kriterien auf die Füllbar zutreffen. Fangen wir von vorne an. Die GründerInnen der Füllbar arbeiten alle freiwillig. Sie haben sich aus einem Beweggrund zusammengeschlossen, um das Konzept des Unverpackt-Einkaufens endlich möglich zu machen. Sie werden von niemanden gezwungen dies zu tun. Diese jungen Menschen sind von gutem Zweck dieses Konzepts überzeugt. Wie bereits erwähnt, arbeiten dort alle unentgeltlich. Sie beziehen keinerlei Lohn, auch keine Aufwandsentschädigung für die viele Zeit, die dieses Projekt in Anspruch nimmt. Ihr Engagement vollzieht sich im öffentlichen Raum. Jeder bekommt dort die Möglichkeit auszuhelfen. Im Laden liegen Listen bereit, in der sich jeder eintragen kann, der gerne daran beteiligt sein möchte. Das Projekt der Füllbar ist nicht zeitlich begrenzt: „Es ist auf jeden Fall nicht so, dass wir sagen, das Projekt läuft jetzt 3 Jahre und dann sind wir wieder weg. Das ist für den Laden auf jeden Fall nicht das Ziel“ (Silvia, Gründerin der Füllbar). Die Frage nach dem Gemeinwohlbezug der Füllbar ist leicht beantwortet: die Vermeidung von Verpackungen kommt nicht zur der Umwelt zugute, sondern auch wir Menschen profitieren langfristig von dem Umweltschutz. Sei es gesundheitliche Schäden durch Abgase zu minimieren oder den Klimawandel zu verlangsamen, der auch unsere Lebensräume zerstört. Dass das Konzept der Füllbar und die Engagierten alle Kriterien erfüllen, um von bürgerschaftlichem Engagement sprechen zu können, wird sehr deutlich.
Aber wie kommt es überhaupt dazu, dass Menschen sich engagieren? Was hält ihre Motivation aufrecht und wie kommt es dazu, dass Engagierte letztlich sogar einen eigenen Lebensmittelladen eröffnen, um ihre Ziele zu verfolgen?
Um diese Fragen zu beantworten wollen wir auf bereits vorhandene Forschungsergebnisse zu den Motivlagen freiwilliger Tätigkeit zurückgreifen und primäre Quellen in Form der Interviews nutzen, die Rückschlüsse zulassen, was die Akteure im Wirkkreis der Füllbar dazu bewegt, sich zu engagieren. Betrachten wir zunächst das faktische Engagement von Menschen, spielt die Struktur der Alltagswelt eine entscheidende Rolle.
Die Lebenspraxis steht unter einem elementaren und unaufhörlichen Motivierungszwang. Stets muss sich ein Akteur zu seinem bevorstehenden Lebensvollzug verhalten, will er seinen Daseinsgrund nicht selbst verunmöglichen (Corsten, Kauppert und Rosa, 2008: 35). Um ihr Ziel, Verpackungen zu vermeiden und damit die Müllproduktion zu verringern, umzusetzen, müssen die NutzerInnen der Füllbar Anstrengungen leisten, um diese Lebensweise aufrecht erhalten zu können. „Im Vollzug der Lebenspraxis sieht ein Akteur daher auf die gesellschaftlichen Möglichkeiten, aber auch auf die Grenzen ihrer Realisierung verwiesen“ (Corsten, Kauppert, Rosa: Quellen bürgerschaftlichen Engagements, 2008: 35). Die KonsumentInnen sind demnach darauf angewiesen, ihre eigenen Behältnisse mitzubringen und immer in einem Unverpackt-Laden einzukaufen, um das Konzept des Zero Waste vollständig zu erfüllen. Die Tatsache, dass es so ein Geschäft mit unverpackter Ware nicht zwangsläufig in unmittelbarer Nähe gibt, erschwert diese Lebensweise enorm. Die VertreterInnen dieser Bewegung unterliegen somit einem ständigen Motivationszwang, um im Alltag nicht davon abzuweichen. Die Entscheidung sein Leben so zu gestalten, wird aber nicht aus einer Laune heraus entschieden, denn die „Entscheidungen der Lebenspraxis vollziehen sich zwar in Situationen, aber sie beziehen sich dabei stets auf den Sinnhorizont einer ganzen Lebensspanne“ (Corsten, Kauppert, Rosa: Quellen bürgerschaftlichen Engagements, 2008: 36). Ein Individuum entscheidet sich somit für eine Lebensweise, die auch in Zukunft Bestand haben soll und nicht situativ bedingt ist. Aber wie wird das Selbstverständnis dieser Lebensführung generiert? Eigene Erfahrungen, gesellschaftliche Erwartungen und sozialhistorische bedingte Lagerungen tragen zur Schöpfung des Selbstverständnisses bei. Die Motivierung für eine bestimmte Lebenspraxis erfolgt in bereits bestehende Lebensverhältnisse. Die bestehenden Lebensverhältnisse stellen den Handlungsrahmen dar und bestimmen die Handlungsoptionen der Engagierten. Es ist daher nicht möglich, sein Leben nach einer bestimmten Art und Weise auszurichten, die nicht im Bereich des Möglichen liegt.
Lisa hat sich schon eine lange Zeit mit dem Thema Zero Waste auseinandergesetzt und sich über Videos im Internet näher dazu informiert. Sie studiert an der Universität Witten/Herdecke, an der zwar viele Initiativen zur Auswahl standen, jedoch keine von denen so richtig passend zu sein schien. „Es ist [an der Universität Witten/Herdecke] schon sehr gern gesehen, wenn man sich außerhalb der Uni engagiert“, sagt sie. Auf einem Workshop zum Thema Quartiersentwicklung in Witten entstand dann die eigentliche Idee, einen Unverpackt-Laden zu eröffnen und ihre Ideen endlich in die Tat umzusetzen. Zusammen mit den anderen GründerInnen wurden dann konkrete Pläne zur Füllbar entwickelt.
Auch im privaten Bereich versuche sie, möglichst keinen Müll zu produzieren. Dass dies nicht immer ganz einfach ist, wisse sie und blickt zurück: „Es ist irgendwie auch ein langer Weg des Umstiegs“. Sie betont, dass nicht alle Menschen von ihrer Idee zu überzeugen seien. Das Thema „Müllvermeidung“ spreche sie aber trotzdem auch in ihrem privaten Umfeld an, zum Beispiel versuche sie ihre Wohngemeinschaft vorsichtig in Richtung Zero Waste zu lenken. Das empfinde sie nicht zuletzt als Teil ihrer Arbeit.
Jenny sieht das ganz ähnlich. „Wir wollen gerne mit der Idee raus und den Leuten erzählen, was wichtig daran ist“, sagt sie. Dass die dafür nötigen Gespräche, Workshops und Vorträge natürlich auch viel Zeit in Anspruch nehmen, sei ihr bewusst. Trotzdem gehöre das neben der obligatorischen Organisierung der Füllbar und den damit einhergehenden Teamtreffen eben zu ihrem Engagement dazu. Das Engagement, wenn auch in anderen Bereichen, sei schon viele Jahre ein wichtiger Bestandteil in ihrem Leben. Seit über zehn Jahren sei sie bereits beim Technischen Hilfswerk ehrenamtlich tätig und habe sich nach dem Abitur im Ausland im Rahmen eines Freiwilligendienstes engagiert. Themen wie Ernährung oder Nachhaltigkeit seien dann aber erst später in ihren Fokus gerückt. Zero Waste war dann die „Spitze des Eisberges“, wie sie es nennt. Zuletzt war es einem Zufall geschuldet, dass sie von der Idee, einen Unverpacktladen in Witten zu eröffnen, hörte. An der Uni stellte sie Kontakt zu den anderen Ideenentwicklern her und engagierte sich, um das Projekt auf die Beine zu stellen. In ihrem Freundeskreis sei sie für ihre oft verrückten und außergewöhnlichen Ideen bekannt. Sie erinnert sich: „Jenny kommt wieder mit was Neuem um die Ecke“, hieß es da oft. Also wirklich überrascht war keiner, als sie von der Idee hörten. Als die Pläne dann wirklich konkreter wurden und die Ladeneröffnung vor der Tür stand, wuchs dann doch das Interesse ihrer Freunde. „Dieses Ladenkonzept finden die meisten schon echt spannend“, sagt sie und erzählt, dass ihre Idee auch innerhalb ihrer Familie gut ankommt. Die meisten wurden neugierig und wollten sich selbst ein Bild von dem neuen Laden machen und so kam es, dass mittlerweile Familie und Freunde in den Laden kommen, um Lebensmittel zu kaufen. Das Feedback ist also durchweg positiv, was sich natürlich auch positiv auf ihre Motivation auswirkt, weiterzumachen. Viele seien erstaunt, „was man so für Alternativen hat, wenn man selbst einkaufen geht“ oder überrascht von dem Gefühl, dass man selbst durch die Gestaltung seines eigenen Alltags etwas bewirken kann. Sie weiß jedoch auch, dass nicht alle so vertraut mit dem Thema Zero Waste sind wie sie. Oft hat sie das Gefühl, sie überfordere so manche mit ihrem geballten Wissen. Deshalb versucht sie „immer, mit einer guten Dosis“ an Informationen an die Leute heranzutreten. Auch abseits der Füllbar spielt das Thema Müllvermeidung eine entscheidende Rolle für sie. Obwohl ihr Alltag schon vorher stark von nachhaltigen Handlungsweisen geprägt war, erkennt sie Bereiche, in denen sich Veränderungen zeigen. Ob Kosmetik, Textilien oder Lebensmittel – Nachhaltigkeit lasse sich auf sämtliche Lebensbereiche übertragen. Das ist es, was ihr Freude bereitet: „Ich merke, dass es für mich eine große Bereicherung ist“, fasst sie ihr Engagement zusammen.
Die Motivationen und Beweggründe der Beteiligten sind jedoch nicht auf wenige Punkte herunterzubrechen. In unseren Interviews lassen sich verschiedene Typen von Engagierten erkennen, die durch unterschiedliche Handlungsformen gekennzeichnet sind. Bei den GründerInnen war hierbei von besonderem Interesse, inwiefern sich ihr Engagement in der Füllbar von ihrem privaten Engagement im Alltag unterscheidet, während bei den Kunden ein Augenmerk darauf lag, welche Punkte Abbruchtendenzen verstärken können. Obwohl die subjektiven Beweggründe höchstkomplex sein können und sich oftmals in einem langjährig aufgespannten Geflecht von biographischen Entwicklungen befinden, lassen sich anhand der Interviews drei Typen von Engagierten bilden, die als Grundlage für weiterführende Vergleiche dienen.
I. Der passionierte Typus – Engagement aus leidenschaftlicher Überzeugung
Dieser Typus gehört vermutlich zu den sowohl geläufigsten, als auch weit verbreitetsten Typen von Engagierten. Hier steht der Wille, sich zu engagieren, um was Gutes zu tun, im Vordergrund.
Man ist überzeugt davon, mit seinem Handeln etwas, wenn auch in kleinen Dimensionen, zu erreichen. Sie sehen sich als Vorbild für andere und wollen praktische Alternativen für den Alltag aufzeigen. In Bezug auf die Gründung und Nutzung der Füllbar wären hier Gründe wie die Förderung von Nachhaltigkeit oder der Schutz der Umwelt zu nennen. Sie wollen durch ihr Handeln andere Menschen zum Denken anregen, um zu hinterfragen, wie sie Lebensmittel und andere Waren konsumieren. Sie sehen jedoch auch ein, dass es oft ein langer Prozess ist, ein nicht nur müllreduziertes, sondern gar müllfreies Leben führen zu können. Doch selbst die Auseinandersetzung mit dem Thema sei ein guter Ansatzpunkt, um eine Veränderung anzustoßen. „Es ist unsere Leidenschaft, die uns zu dem Ganzen hier antreibt“, fasst Lisa zusammen. Sie wollen ein Stück weit ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt nachkommen und sehen es als notwendig an, etwas gegen den Verpackungswahn und die damit einhergehende Umweltverschmutzung zu tun. Immer wieder wird betont, wie wichtig die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz seien und dass jeder etwas dazu beitragen könne. Dieser Typus hat also etwas Großes vor Augen, weiß aber auch, dass der Ansatz hierfür im Kleinen liegt. Bezüglich der GründerInnen der Füllbar wird hier besonders deutlich, dass die Gründung und das Engagement, das innerhalb der Füllbar stattfindet, starke Auswirkungen auf das Privatleben haben. Die Motivation, an der Zero Waste-Idee festzuhalten und auch im Alltag umzusetzen, wird nicht zuletzt durch die Erfolge der Füllbar verstärkt. Immer wieder wird deutlich, dass die Bereitschaft, sein Leben vollständig zu verändern und dem Lebensstil anzupassen, sehr groß ist. Hierbei steht aber nicht nur das eigene Engagement im Fokus, sondern auch das der anderen. „Ich glaube, es bringt sehr viele zum Nachdenken […], was man selber auch tun kann im Kleinen“, vermutet ein Kunde der Füllbar.
II, Der beständige Typus – Engagement als Lebensaufgabe
Im Vergleich zum ersten Typus zeichnet sich der zweite Typus durch seine Beständigkeit und mehr durch sein fachliches Wissen sowie die langjährige thematische Auseinandersetzung aus. Das Engagement beginnt hier häufig schon in der Jugendzeit und wird im weiteren Lebensverlauf fortgeführt.
Das Interesse am Thema steigt stetig und kann kaum durch Veränderungen in der Biographie gemindert werden, da das Engagement nicht abebbt. Es gibt keine klaren Grenzen zwischen der freiwilligen Tätigkeit und privater Lebensführung. So lassen sich Verknüpfungen zwischen inhaltlichen Schwerpunkten von einem übergeordneten Thema erkennen. Die Auseinandersetzung mit Themen wie Ernährung führte sie in Richtung Nachhaltigkeit und letztendlich zu den Möglichkeiten der Müllvermeidung, beispielsweise Zero Waste. Es lässt sich also erkennen, dass das Befassen mit den inhaltlichen Kennzeichen dieser Bewegung auch das Engagement deutlich steigert. Das Interesse an dem Thema wird letztendlich dadurch verstärkt, dass man das bereits angeeignete Wissen immer weiter ausbauen kann. Vergleicht man diesen Typus mit dem bereits genannten passionierten Typus wird deutlich, dass hier bereits vor der Gründung der Füllbar starke Züge des Zero Waste-Lebensstils im Alltag zu erkennen sind. Jenny vermutet, dass ihr stark geprägter Alltag Grund für das jetzige öffentliche Engagement sei. Dies zeigt deutlich, wie enorm ausgeprägt das Engagement im eigenen Privatleben ist. Wie auch beim ersten Typus wird deutlich, dass das Weitergeben des erlangten Wissens zentral ist. Der Verbreitungswille und der Wille, Menschen von seiner müllreduzierten oder oft auch müllfreien Lebensweise zu überzeugen, ist hierbei von entscheidender Bedeutung. Das Engagement nimmt hierbei einen großen und wichtigen Platz im Privatleben ein und wird nicht zuletzt auf andere Menschen zu übertragen versucht. Es wird versucht, Aufklärungsarbeit zu leisten und die moralische Verantwortung jeder einzelnen Person zu betonen. Die Bereitschaft sein Leben umzustellen und Verantwortung zu übernehmen seien wichtige Charakteristika, um diesem Typus zugeordnet werden zu können. Oft ist diese Umstellung mit einem Komfortverzicht verbunden, welcher jedoch nicht als negativ oder hindern gesehen wird. „Wie einfach es eigentlich ist, zu verzichten“, stellt ein Kunde der Füllbar fest und betont, dass beispielsweise das Fahren mit dem Zug, Bus oder Fahrrad schon einen erheblichen Teil dazu beiträgt, ökologische Verantwortung zu übernehmen.
III. Der neugierige Typus – zwischen Hoffnung und Ernüchterung
Bei diesem Typus steht das Interesse, etwas Neues auszuprobieren, im Vordergrund. Bis zu einem gewissen Grat ist die Bereitschaft vorhanden, sich mit subjektiv relevanten Themen wie beispielsweise Umweltschutz und Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Das Engagement ist hierbei nicht so stark ausgeprägt wie bei den anderen bereits genannten Typen.
Die Testphase im Bereich des Zero Waste-Engagements ist beispielsweise durch das Mitbringen von eigenen Tüten beim Erledigen des Einkaufs gekennzeichnet. Man ist sich hierbei durchaus bewusst, dass man ökologisch handelt und in einer bestimmten Weise engagiert ist, jedoch ist man sich unsicher, ob man dieses Engagement auch in nächster Zeit fortführen wird und inwiefern es das eigene Leben prägt. Außerdem ist dieser Typus oft durch eine Unsicherheit bezüglich des eigenen Einflusses gekennzeichnet: „Ich denke nicht, dass man als einzelner Konsument besonders viel ändern kann“, heißt es bei einem NutzerInnen der Füllbar. Man möchte zwar einen Teil zum Umweltschutz beitragen, weiß aber nicht, inwiefern das individuelle Handeln dabei entscheidend ist. Man ist außerdem nicht zwangsläufig bereit, sein Leben danach auszurichten oder es radikal zu verändern. Das bedeutet beispielsweise, dass man manchmal doch zu dem Lebensmittel greift, das nicht ökologisch abbaubar verpackt ist; sei es aufgrund des Preises oder der Praktikabilität. Man steht jedoch Versuchen aufgeschlossen gegenüber, zu testen, wie viel man bereit wäre aufzugeben und zu verändern, weiß aber auch, dass es durchaus „schwierig [ist], in einem Industrieland zu leben und Müll zu vermeiden“ (Nutzerin der Füllbar). Die Verantwortung für die Entwicklung in den Bereichen wie Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder Zero Waste wird nicht zuletzt den Regierungen oder anderen Institutionen zugeschrieben. Durch die Tatsache, dass man neu und eher unerfahren auf dem Gebiet Zero Waste ist, ist dieser Typus auch dadurch gekennzeichnet, dass das Fachwissen vergleichsweise niedrig ist. Man hat grundsätzliche Vorstellungen, was man verändern könnte und wie die Zukunft gestaltet werden kann, wobei diese Vorstellungen oft sehr allgemein und wenig konkret bleiben. Bei vielen Interviews mit neuen NutzerInnen der Füllbar fallen Schlagwörter, wie „erneuerbare Energien“, „Alternativen zu Plastik“, „Recycling“ oder „Umweltbewusstsein“. Man weiß also, um welche Bereiche es geht und welche Ansätze zur Auswahl stehen. Trotzdem fehlen Maßnahmen zur praktischen Umsetzung. Sie stehen dem Gedanken, Müll zu vermeiden und ökologisch zu handeln, positiv gegenüber und hoffen selbst, diesen Gedanken auch langfristig umsetzen zu können. Man erkennt allerdings bei diesem Typus immer wieder, dass er nicht vollständig von dem Einfluss seines eigenen Handels überzeugt ist. „Ich denke, es ist vielleicht schon ein bisschen absurd, dann zuhause auf jede kleine Plastiktüte zu achten und in der Klinik dann täglich Berge von Müll produziert werden“, beschreibt ein Kunde, der in einem Krankenhaus arbeitet und dort die Verschwendung von Ressourcen und Materialien im großen Ausmaß erlebt. Sätze wie diese machen deutlich, dass die Überzeugung, einen Wandel durch sein eigenes Handeln anzustoßen, sehr gering ist. Außerdem wird von diesem Typus oft geäußert, dass man weniger darauf bedacht ist, welche Auswirkungen das eigene Engagement auf andere oder gar auf die gesamte Gesellschaft hat, sondern vielmehr, was das Engagement mit einem selbst macht. „Ich mache das am meisten für mich selbst eigentlich“ (Kunde der Füllbar). Nicht selten engagiert man sich, um sein Gewissen zu beruhigen und sich gut zu fühlen, im Wissen damit etwas Richtiges zu tun. Im Vergleich zu den anderen beiden Typen ist das Engagement bei diesem Typus kein zentraler Bestanteil des Lebens. Man versucht es lediglich in seinen Alltag zu integrieren, sodass es für einen selbst nicht allzu umständlich ist und man einen positiven Beitrag zur Umwelt leistet.
In der Sozialwissenschaft herrscht grundlegende Einigkeit darüber, dass die Hauptaufgabe der qualitativen Sozialforschung darin bestehe, soziale Strukturen und Prozesse tiefergehend zu erkunden, um dadurch soziale Sinnstrukturen sichtbar zu machen. Antje Lettau und Franz Breuer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zufolge sei das Ziel ebendieser Sektion „zumeist nicht die Prüfung bestehender Theorien“ (Breuer und Lettau, o. Jahr). Vielmehr solle „der Fokus […] auf der Entwicklung neuer Theorien und Modelle für bestimmte Gegenstandsbereiche liegen“ (Breuer und Lettau, o. Jahr).
Diesem Forschungsanspruch wollen wir gerecht werden, indem wir nicht nur den Versuch wagen, auf Basis der geführten Interviews, eigene Idealtypen sozialökologischen Engagements zu entwickeln, sondern darüber hinaus diese mit den bisher bekannten Engagementformen aus der vorhandenen Literatur zu vergleichen. Wichtige Bezüge stammen dabei aus dem Freiwilligensurvey des Deutschen Zentrums für Altersforschung und einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach zu den Motiven bürgerschaftlichen Engagements. Die Daten beider Studien wurden im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erhoben. Aktuelle Forschungen zeigen im Wesentlichen Differenzen in der Motivation und der subjektiven Begründung für das persönliche Engagement auf. So verweist das Freiwilligensurvey aus dem Jahre 2014 auf die hohe Bedeutsamkeit der Freude an der freiwilligen Tätigkeit. Zudem seien Aspekte wie das Zusammenkommen mit anderen Menschen, auch über verschiedene Generationen hinweg, sowie die Option die Gesellschaft mitgestalten zu können relevant. Das Institut für Demoskopie Allensbach entwickelte anhand einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung aus dem Jahre 2013 acht verschiedene Dimensionen mit Hilfe derer die Befragten durch ihre Antworttendenzen den einzelnen Gruppen tendenziell zugeordnet werden konnten.
- Engagement, um Dinge zu bewegen und zu verbessern
- Engagement aus Wertüberzeugung und Altruismus
- Engagement aus Sinngebung und durch bedeutsame Aufgaben und Anerkennung
- Engagement als Bereicherung des eigenen Lebens
- Engagement als Entfaltung von Fähigkeiten und Neigung
- Engagement, um Entscheidungsfreiheit zu haben
- Engagement durch Anstöße von anderen
- Engagement für einen konkreten Nutzen
Wir konnten bei der Analyse unserer Daten deutliche Parallelen zwischen den oben aufgeführten Dimensionen des Institutes für Demoskopie Allensbach sowie unseren Idealtypen erkennen. So zeichnet sich der im Rahmen unserer Forschung als passioniert betitelte Typ vor allem durch eine erhöhte Überzeugung und dem Streben nach Veränderung aus. Es wird beabsichtigt, aktiv am gesellschaftlichen Gestaltungsprozess teilzuhaben und anderen Menschen die eigene Lebensart näher zu bringen und ihnen dazu Optionen zu bieten. Man kann hierbei sowohl Elemente der ersten beiden Dimensionen des Forschungsberichtes vom Institut für Demoskopie wiederfinden: Engagement, um Dinge zu bewegen und zu verbessern sowie Engagement aus Wertüberzeugung und Altruismus. Zahlen des Freiwilligensurveys unterstreichen die Verbreitung dieser Haltung. 81,0 Prozent gaben in der Befragung aus dem Jahr 2014 an, dass die Möglichkeit, durch ihr Engagement die Gesellschaft mitgestalten zu können, ein wichtiger Faktor für ihre Tätigkeit sei.
Bei Betrachtung des neugebildeten beständigen Typus zeigt sich eine anhaltende thematische Auseinandersetzung mit dem Engagementgegenstand über längere und unterschiedliche Biographiephasen hinweg. Diese Grundlage lässt sich bei den bisher vorliegenden Dimensionen so nicht wiederfinden, weist aber starke Züge des ‚Engagements als Entfaltung von Fähigkeiten und Neigungen‘ auf. Das intensive inhaltliche Befassen hat nicht nur ein gesteigertes Fachwissen zufolge, sondern generiert unwillkürlich eine zunehmend emotionale Identifikation mit der Thematik. Ebenso lassen sich hier – wenn auch nur zweitrangig – die Dimensionen des ‚Engagements aus Wertüberzeugungen und Altruismus‘ sowie, ‚um Dinge zu verbessern und zu verändern‘ erkennen. Jene bilden das Fundament der Motive, auf dem die dauerhafte Auseinandersetzung fußt.
Im konkreten Fall der Füllbar und des Ziels der weitergehenden bis absoluten Müllvermeidung ist eine Tendenz zur moralischen Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Generationen und anderen Mitmenschen somit schwerlich unausweichlich.
Während sowohl der passionierte, als auch beständig Typus in Netzwerkstrukturen freiwilliger Tätigkeiten eingespannt sind, kennzeichnet den neugierigen Typus vielmehr ein loses Engagement, das besonders durch zeitliche und finanzielle Ressourcen beschränkt wird. Diese und weitere Opportunitätskosten wie der Verzicht auf kürzere Wege und ein ausgiebigeres Angebot werden jedoch in Kauf genommen. Vorrangige Aspekte dafür sind bei Engagierten, die keine spezifische Aufgabe oder ein Amt übernehmen, nach dem Institut für Demoskopie zufolge zu 34 Prozent das Gefühl, mit der eigenen Tätigkeit etwas bewegen zu können. Dies entspricht der regelrechten Unsicherheit des neugierigen Typus, ob sein Handeln tatsächlich positive Folgen mit sich bringt, oder doch in der Masse des allgemeinen Konsums untergeht. Da der passionierte Typus besonders auf einige Kunden der Füllbar zutrifft, erlangt das Motiv, dem 11 Prozent zustimmen, selbst entscheiden zu können und eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu haben, eine hohe Relevanz. Es lässt sich davon ausgehen, dass besonders im Zusammenhang der Füllbar, Kunden den Aspekt der Selbstbestimmtheit und Transparenz schätzen und dies daher eine größere Bedeutsamkeit einnimmt.
Veränderung – aber wie?
Natürlich fragten wir die Interviewten auch, was man denn tun kann, um dieser riesigen Müllansammlung entgegen zu wirken. Dabei reichen die Meinungen von kleinen Schritten zu großen Überlegungen, die den Verbrauch von Verpackungen entscheidend verändern könnten. Es ist festzustellen, dass sich viele als einzelne Person machtlos fühlen, etwas zu verändern: „Naja, ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass man als einzelner Konsument besonders viel ändern kann“ (KundIns der Füllbar). Zunächst muss eine Aufklärung stattfinden. Dies kann man durch Aktionen, Werbung und Workshops an die Menschen herantragen. Eine Kundin der Füllbar stellt auch fest: „Das ist vielen dann doch nicht bewusst, wenn sie einkaufen gehen, wie viel sie dann an Müll verbrauchen“. Einige Geschäfte schaffen ihre Plastiktüten ganz ab oder verlangen eine Gebühr für eine Plastiktüte. Ist das schon ein Anfang und reicht das aus? Sollte es auch eine Abschaffung in anderen Bereichen geben? Ein Kunde der Füllbar schlägt vor, nicht nur ein Pfand auf Flaschen und Gläser zu erheben, sondern auch zusätzliche Gebühren bei anderen Produkten, die in Plastik verpackt sind, einzuführen. Dies würde das Bewusstsein der Menschen erhöhen und ihnen aufzeigen, wie viel verpackte Ware sie kaufen.
Eine andere Nutzerin findet diese Kenntnisse so wichtig, dass es ihrer Ansicht nach angebracht wäre, sie schon früh in der Schule zu etablieren:
Generell ist es wichtig, das Umweltbewusstsein der Leute zu schulen, besonders das der nächsten Generation. Man kann den Kindern direkt im Unterricht beibringen, wie man Müll vermeidet und welche Auswirkungen das hat.
Vor allem besteht bei den Beteiligten der Appell, an der Politik etwas zu verändern, da dem Endverbraucher in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden sind, da auch Standards und Vorschriften eingehalten werden müssen, die von der Regierung vorgeschrieben werden. Es reicht von Start-Up-Finanzierungen für solche Läden, die dieses Konzept verwirklichen wollen und neue Berufe und Studiengänge fördern, die sich mit einer verpackungsfreien Variante auseinandersetzen. Außerdem sehen sie die Politik in der Verantwortung, außerhalb ihrer Reihen auch die Unternehmen in eine Richtung zu lenken, auch dort den ökologischen Fußabdruck zu verringern: „Ich würde mir wünschen, dass die Politik anfängt, die Unternehmen auf ihre ethische Verantwortung der Umwelt gegenüber hinzuweisen und die Verantwortung für den ganzen Müll, der entsteht, zu übernehmen“ (Lisa, Gründerin der Füllbar). Die Politiker stehen in einer Vorbildfunktion, von der andere Länder und Staaten lernen können und sollen. Bei Nichteinhaltung sehen die Vertreter des Konzepts auch negative Sanktionen als eine Möglichkeit, die Umweltstandards und -verbesserungen einzuhalten, beispielsweise beim Abgasskandal.
Seit Eröffnung der Füllbar ist bis dato ein knappes dreiviertel Jahr vergangen. Diese recht kurze Dauer erschwert naturgemäß zuverlässige Aussagen über die langfristigen Effekte und Entwicklungen auf das Engagement sowohl von KundInnen als auch GründerInnen, sodass selbst Prognosen nur Vermutungen darstellen können. Es lässt sich jedoch bereits zum jetzigen Zeitpunkt festhalten, dass sich das Engagement der verschiedenen Engagementtypen, die anhand der einzelnen Interviews gebildet wurden, sich nicht nur in der Intensität und den spezifischen Handlungsweisen unterscheiden, sondern auch in der biographischen Entwicklung ausdifferenzieren lässt. So zeigt sich bei einigen bereits in frühen Lebensphasen eine Auseinandersetzung mit nachhaltigen Themen, wohingegen sich dieses Interesse bei anderen erst zu einem späteren biographischen Zeitpunkt entwickelt. Man kann daher annehmen, dass die Engagementtypen nicht nur über die erwähnten Handlungsdifferenzen verfügen, sondern sich auch in eine aufeinander aufbauende beziehungsweise chronologische Abfolge einordnen lassen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass für eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Engagements diverse Faktoren relevant sind. Voraussetzungen für eine Intensivierung könnten so neben einem stabilen und durchlässigen Netzwerk auch die Bereitschaft, sich inhaltlich fundiertes Wissen anzueignen sowie ein verstärkter zeitlicher Einsatz sein. Für eher unerfahrene Menschen mit noch wenigen Berührungspunkten kann die Füllbar ein Mittel sein, ihr Engagement zu verstetigen. Besonders jene Menschen, die dem neugierigen Typus zugeordnet werden, verfügen über noch wenig ausgeprägte Netzwerkstrukturen. Die Füllbar stellt dabei eine erste Verbindung im Bereich Nachhaltigkeit und Müllvermeidung dar. Durch Workshops und Vorträge wird den Kunden die Möglichkeit geboten, sich intensiver mit diesen Themen auseinanderzusetzen und sich so neues Wissen anzueignen, woraus potenziell eine gewisse Hingabe entstehen kann. Wir wagen also die Hypothese, dass sich der neugierige Typus eine Vorform des passionierten Typus abbilden kann. Bei anhaltendem Engagement kristallisiert sich dann der beständige Typ heraus. Dieser ist durch eine starke Einbindung in das vorhandene Netzwerk gekennzeichnet und trägt somit zur Stabilität des Netzwerkes bei. Der beständige Typ handelt nach einer automatisierten und internalisierten Handlungsstruktur und weist das größte Potenzial auf, seine Überzeugungen an sein Umfeld heranzutragen. Überlegt man nun, welche Rolle die Füllbar bei der Verbreitung des Zero Waste-Gedankens übernimmt, lässt sich feststellen, dass die Füllbar das Angebot eröffnet, sich zu engagieren und damit das Potenzial besitzt, als Diffusionsinstrument zu fungieren. Sie dient auch deshalb als wichtiges Popularisationsmittel, um andere Menschen zu erreichen, da die Gründer eine besondere und sehr stark ausgeprägte Form des bürgerschaftlichen Engagements aufweisen. Diese Besonderheit des Engagements ist durch einen hohen, überdurchschnittlichen Zeitaufwand geprägt, der nicht finanziell vergütet wird und auch keinerlei Aufwandsentschädigung mit sich bringt.
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Konzept der Füllbar dazu beiträgt, Menschen das Thema Nachhaltigkeit in Form von Zero Waste näher zu bringen und ihnen die Option eröffnet, sich selbstbestimmt im Rahmen ihrer eigenen Möglichkeiten zu engagieren und diese Tätigkeiten zu intensiveren. Die Füllbar ist für einige also erster Berührungspunkt mit absoluter Müllvermeidung und kann damit der Ausgangspunkt für eine freiwillige Tätigkeit rund um Nachhaltigkeit und Umweltschutz sein, während sie für andere bereits das Ergebnis jahrelangen Engagements ist. Doch beide leisten ihren Beitrag auf ihre Art und Weise. Schließlich ist nichts besser oder schlechter, nur anders.
Ein Beitrag von Jacqueline Amend, Fee Roth und Lara Sprott
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