– Ehrenamtliche medizinische Versorgung –
Nicht erst seit 2015 und der wachsenden Anzahl potentieller Neubürger[i] besteht in Deutschland ein Engpass bei der medizinischen Versorgung von Menschen ohne sicheres Bleiberecht, aus welchem sich kritische Krankheitsbilder und dramatische Schicksale für Menschen auf der Flucht ergeben können. Der deutsche Staat sieht davon ab, international anerkannte Menschenrechte umzusetzen und eine menschenwürdige und diskriminierungsfreie gesundheitliche Versorgung für alle Menschen in der Bundesrepublik zu gewährleisten. So genießen Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus[ii] und Menschen auf der Flucht faktisch keinen Krankenversicherungsschutz und haben somit keinen oder einen nur sehr eingeschränkten Zugang zur gesundheitlichen Versorgung (vgl.: BAG Gesundheit 2007: 24; Hollstein 2017: 276; Schmitt 2007: 11ff.). Zwar haben Menschen auf der Flucht oder ohne aufenthaltsrechtlichen Status nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) formal gesehen einen Rechtsanspruch auf eine medizinische Grundversorgung, jedoch verhindern strukturelle Defizite die hinreichende Realisierung der Ansprüche. Frauen, Männer und Kinder vermeiden aus Angst vor einer Statusaufdeckung im Zuge der behördlichen Übermittlungspflichten, und der damit einhergehenden drohenden Abschiebehaft, den Kontakt zu medizinischen Einrichtungen.
Darüber hinaus gestaltet sich auch die medizinische Versorgung der gemeldeten Schutzsuchenden als unzulänglich und schikanös. Nicht Deutschsprachigen wird zugemutet, ihren medizinischen Bedarf glaubhaft und wahrheitsgemäß zu schildern und Anträge auf Kostenerstattung zu stellen, die sich kompliziert wie ein Hartz 4 Antrag gestalten. Die Bewilligung der Behandlungskosten wird dann, im schlimmsten Fall, von einem medizinisch inkompetenten Sachbearbeiter im Sozialamt vorgenommen (vgl.: BAG Gesundheit 2007: 18 u. 24; Cyrus o.J.: 56; Schmitt 2007: 13).
Noch schwieriger gestaltet sich die Medizinische Versorgung von Asylsuchenden im Zuge der jüngsten Zuwanderungsbewegungen. Auf Grund der hohen Zahlen von Zuwanderern und Anträgen können einige Wochen bis Monate vergehen, bis Neuankömmlinge einen Versicherungsnachweis oder Krankenbehandlungsschein erhalten. In dieser Phase helfen höchstens extra eingerichtete Notfallsprechstunden in den Erstaufnahmeeinrichtungen und die dort engagierten externen Ärzte oder sogenannte Medinetze, die ehrenamtliche medizinische Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung anbieten (vgl. Seyler 2015: 2).
Diese Medinetze finden sich zumeist in deutschen Großstädten und können somit keine flächendeckende medizinische Versorgung von Personen ohne Aufenthaltspapiere sicherstellen. Gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen sowie gerade auch größere Behandlungsbedarfe erweisen sich – nicht zuletzt aus Kostengründen – als besonders schwierig (vgl. BAG Gesundheit 2007: 17).
Es stellt sich somit zwangsläufig die Frage nach Finanzierungsmöglichkeiten medizinischer Versorgungsleistungen, die im Rahmen zivilgesellschaftlichen Engagements erbracht werden.
Können der Bedarf an medizinischer Versorgung papierloser Menschen und die entstehenden Kosten rein durch ehrenamtliches Engagement und die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten gedeckt werden, oder bedarf es der Unterstützung öffentlicher Stellen – und wie ließe sich diese gestalten?
Teil 1 des Beitrags – Legal? Illegal? Ganz egal! Finanzierung humanitärer medizinischer Versorgung von „Papierlosen“ – geht diesen Fragen nach. Dazu stellt der erste Abschnitt zunächst die gesetzlichen Rahmenbedingungen dar, aus denen der formale Rechtsanspruch auf medizinische Versorgung für Menschen ohne Aufenthaltstitel erwächst. Der Fokus der Betrachtung richtet sich sodann einerseits auf den formellen Zugang zum Gesundheitssystem bei planbaren medizinischen Behandlungen über den sogenannten Krankenschein. Andererseits auf die medizinische Notfallversorgung. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem schikanösen Prozedere, welches ein Mensch ohne Papiere durchlaufen soll, um medizinische Versorgung zu erhalten und den strukturellen Defiziten sowie rechtlichen Unklarheiten dieser beiden Zugangsvarianten.
Daran anschließend wird der „Ausweg ehrenamtliche Versorgung“ aufgezeigt, und welche Grenzen sich bei dieser Form des humanitären Engagements herauskristallisieren. Im Fokus stehen dabei Finanzierungspraktiken und -probleme medizinischer Versorgung für Menschen ohne Aufenthaltsstatus – insbesondere Lokalfonds – sowie im Anschluss daran, mögliche Finanzierungsalternativen – der „Bundesfond“ und der sogenannte „anonymisierten Krankenschein“.
In Abgrenzung zu Teil 1 fokussiert sich der zweite Teil dieses Forschungsberichtes auf die vor dem Hintergrund der Zuwanderungsentwicklungen neu entstandenen Formen des Engagements. Bei diesen neuen Engagementformen in der medizinischen Versorgung von Geflüchteten handelt es sich um Sprechstunden, die von engagierten Ärztinnen und Ärzten in Gemeinschaftsunterkünften angeboten werden. Diese sollen in Teil 2 Flexibilität, Kreativität, Strukturen –ehrenamtliches Engagement in der medizinische Versorgung zwischen Herausforderung, Bedarfsorientierung und individuellen Einsatz in ihrer strukturellen Ausprägung dargestellt werden.
Dazu wird einleitend die Ausgangssituation erläutert. Die Sprechstunden als neuartige Strukturen werden anschließend hinsichtlich ihrer organisationalen Formen, Arbeitsinhalte und weiterer Elemente anhand der Interviewbeispiele dargestellt. Hier bestehen große Unterschiede. Es hat sich auch gezeigt, dass die geschaffenen Engagementstrukturen oftmals über die medizinische Versorgung hinausgehen. Dies ist durch eine Bedarfsausrichtung und den individuellen Einsatz der Engagierten zu erklären. Abschließend werden die Handlungsempfehlungen bzw.- erwartungen der Engagierten erfasst. Diese divergieren stark voneinander.
Ergänzt werden die auf Literaturrecherche basierenden Befunde der beiden Teile dieses Beitrags von Erkenntnissen, welche sich aus der Analyse der sechs im Rahmen dieses Forschungsprojektes geführten qualitativen Interviews ergeben.
Wichtig ist diesbezüglich hervorzuheben, dass die auf diesen Interviews basierenden Ergebnisse keinesfalls einen repräsentativen Anspruch erheben. Es handelt sich vielmehr um Fallbeispiele. Um jedoch trotz des Fallcharakters den Bereich des Ehrenamts in der medizinischen Flüchtlingshilfe in seinem Facettenreichtum abdecken zu können, erfolgte die Auswahl der Interviewpartnerinnen und -partner entlang dieses differenzierten Feldes.
Die Engagierten, die interviewt wurden, divergieren dementsprechend unter anderem hinsichtlich der Arbeitsinhalte, die sie in der medizinischen Versorgung übernehmen. Unterschiede bestehen aber auch bezüglich der Städte, in denen das Engagement gewährleistet wird und hinsichtlich der beruflichen Hintergründe der Engagierten. So sind zwei Ärztinnen bzw. Ärzte interviewt worden, die in den Landesunterkünften medizinische Sprechstunden anbieten. Sie nehmen eine Basisversorgung der Asylsuchenden vor Ort vor, vermitteln diese gegebenenfalls zu entsprechenden Fachärzten. Ein weiterer großer Bereich der ehrenamtlichen medizinischen Hilfe stellen die Medinetze und die dort angebotenen Vermittlungssprechstunden dar. Hilfe erfahren hier vor allem Menschen, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus keine bzw. nur eine eingeschränkte medizinische Versorgung erhalten, oder auf Grund staatlicher Kapazitätsengpässe keinen anderen Ausweg sehen. Dazu zählen „Papierlose“ und Asylsuchende. Die hier engagierten Ehrenamtlichen haben durchaus auch andere bzw. nicht ausschließlich medizinische berufliche Hintergründe. Darüber hinaus konnten eine Psychotherapeutin und eine Physiotherapeutin befragt werden. Erstere übernimmt einerseits ehrenamtlich Patienten, andererseits erstellt sie bei Bedarf in Abschiebeverfahren auch Gutachten. Letztere ist ehrenamtlich im Rahmen eines Hilfsprogramms tätig, das Kindern aus Kriegsgebieten in Deutschland eine medizinische Versorgung ermöglicht. Letztlich engagieren sich die sechs Befragten in insgesamt fünf unterschiedlichen Städten Nordrhein-Westfalens.
Die Befragung erfolgte mittels leitfadengestützter narrativer Interviews. Neben allgemeinen Fragen zu Motiven und Organisationsformen des Engagements, wurden für den Bereich der ehrenamtlichen medizinischen Versorgung in der Flüchtlingshilfe spezifische Fragen gestellt. Diese erfragten ein mögliches Berufsethos unter Ärzten sowie Psychotherapeuten als Hintergrund für ihr Engagement, den Umgang mit Daten in diesem rechtlich prekären Feld und der Finanzierung des medizinischen Angebots.
Legal? Illegal? Ganz egal!
Finanzierung humanitärer medizinischer Versorgung „Papierloser“
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Wie eingangs geschildert erweist sich die medizinische Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherungsschutz als problematisch. Theoretisch gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Gesundheitsversorgung, der jedoch wegen behördlicher Übermittlungspflichten von Menschen ohne Papiere nicht ohne negative Folgen realisiert werden kann. Da sich diese Zustände auch nach der Modifikation des AsylbLG 2015 nicht ändern können, da diese am Kern des Problems nichts ändern, sieht der Staat offensichtlich keinen Handlungsbedarf. Er überlässt die Verletzlichkeit der betroffenen Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, die sich beispielsweise in Armut, sozialer Ausgrenzung und einem erhöhten Erkrankungsrisiko äußern kann, weiterhin der gesellschaftlichen Solidarität (vgl.: Beier 2007: 93; Kößler et al. 2013: 7). Das Dilemma bezüglich der staatlichen medizinischen Grundversorgung für Menschen ohne Papiere soll somit, zumindest teilweise, durch nichtstaatliche Parallelstrukturen, in deren Rahmen medizinische Hilfe und Unterstützung für Betroffene aus humanitären Gründen geleistet wird, kompensiert werden. Der Staat nimmt sich aus der Verantwortung, frei nach dem Motto: Der „good will“ wird’s schon richten (vgl.: BAG Gesundheit 2007: 10; Hollstein 2017: 275ff.). Einer unserer Interviewpartner führt diesbezüglich an:
Das ist an sich gar nicht mein Aufgabenbereich. […] Eigentlich hat ja unser Staat die Aufgabe, für diese Leute [„Flüchtlinge ohne Status“] diesen Schutz, diese Versorgung anzubieten. Das tut er nicht, sondern er delegiert es praktisch an Organisationen, wie die medizinische Flüchtlingshilfe Bochum. […] was ja insofern einzig grotesk ist, weil sie ja nichts anderes tut, als die Aufgabe, die der Staat eigentlich gehabt hätte (Interview Bochum 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Die humanitär motivierten medizinischen Flüchtlingshilfen in Deutschland können jedoch eine flächendeckende Substitution staatlicher medizinischer Grundversorgung nicht ausreichend sicherstellen. Gerade kostspielige medizinische Maßnahmen erweisen sich als besonders schwierig.
Der vorliegende Beitrag (Teil 1) geht deshalb den Fragen nach: Können der Bedarf an medizinischer Versorgung „Papierloser“ und die entstehenden Kosten rein durch ehrenamtliches Engagement und die vorhandenen Finanzierungsmöglichkeiten gedeckt werden, oder bedarf es zusätzlich der Unterstützung öffentlicher Stellen – und wie ließe sich diese gestalten?
Nicht nur bei unserer Interviewpartnerin gilt: „gesundheitliche Versorgung ist Menschenrecht“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Neben Deutschlands Anerkennung des sozialen Rechts auf diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsführsorge durch die Ratifizierung von u.a. der United Nation Konvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, legt das deutsche Grundgesetz in Art 2 Abs. 2 „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ als allgemeingültiges Menschenrecht fest. Dieses Recht – der Anspruch auf medizinische Versorgungsleistungen – ist für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität im Asylbewerberleistungsgesetz von 1993 ausdifferenziert (Bielefeld 2007: 90). Es regelt „die materielle Lebensgrundlage von Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlingen sowie Ausländern ohne sicheres Bleiberecht“ (Schmitt 2007: 25). Die Paragraphen 4 und 6 des AsylbLG legen dabei den Leistungsumfang für die Behandlung auf Basis des Regelbedarfs für die ersten 15 Monate des legitimen Aufenthalts in Deutschland fest[3] (vgl.: Hollstein 2017: 272; Kößler et al. 2013: 41f.).
Leistungsberechtigt sind alle Personen, die ‚vollziehbar ausreisepflichtig’ sind, dass heißt gemäß § 1 AsylbLG einen aufenthaltsrechtlichen Status innehaben. Neben Asylsuchenden und Menschen mit Duldungsstatus fallen darunter auch Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. „Dazu zählen Touristen ohne Visum, ‚untergetauchte’ Personen im Abschiebeverfahren, abgelehnte Asylbewerber, Staatenlose, Kinder von Eltern ohne gesicherten Aufenthalt oder unbegleitete Kinder, die sich ohne gültige Aufenthaltspapiere in Deutschland aufhalten“ (ZEKO 2013: 899).
Das Gesetz sieht im Falle akuter Erkrankungen und Schmerzzustände vor, „die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung, einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren“ (§ 4 Abs. 1 AsylbLG). Ebenfalls muss die erforderliche Unterstützung für Schwangere und junge Mütter gewährleistet werden (vgl. § 4 Abs. 2 AsylbLG).
Jedoch gibt es keine klare gesetzliche Definition des Begriffs „akuter Erkrankung“ und der Gesetzestext impliziert, dass Leistungen nicht erbracht werden müssen, sofern keine akuten Erkrankungen und Schmerzzustände vorliegen. In der Praxis werden diese zumeist rechtswidrig interpretiert, als unabweisbare oder lebensnotwendige Behandlungen, und notwendige Versorgungen abgelehnt. Ein Anspruch auf optimale und bestmögliche Behandlung ist somit nicht gegeben, zumal der gewährte Leistungsumfang „deutlich unter dem Anspruch der Gesetzlichen Krankenversicherung“ (BAG Gesundheit 2007: 10) und den Leistungen der Sozialhilfe sowie des SGB II liegt (vgl.: Classen 2005: 91; Hollstein 2017: 272; Kößler et al. 2013: 43).
Die Folgen der Unter- und Fehlversorgung können demzufolge verheerend sein und zu untragbaren Situationen führen, wie folgendes Beispiel verdeutlicht: „Und dann habe ich auch noch mitgekriegt, über eine Sozialarbeiterin, das wirklich von ein Pärchen aus […] ohne Status, die haben ganz alleine ohne Arzt ohne Hebamme ein Kind gekriegt“ (Interview Bochum 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Tritt dann der gefürchtete Krankheitsfall ein, sieht das AsylbLG vor – sofern kein Notfall vorliegt und keine Krankenversicherung sowie keine ausreichenden finanziellen Möglichkeiten vorhanden sind – dass Betroffene einen Antrag auf Kostenerstattung beim zuständigen Sozialamt stellen (vgl. Cyrus, o.J.: 48). Die Beantragung des Krankenschein für eine ambulante oder planbare stationäre Behandlung ist jedoch verbunden mit einer Offenlegung des aufenthaltrechtlichen Status´, denn das Sozialamt muss sich bei der Ausländerbehörde rückversichern, ob der betroffene Patient tatsächlich nach dem AsylbLG leistungsberechtigt ist. Hierfür hält das Sozialamt den Betroffenen zur Registrierung bei der Ausländerbehörde an oder macht selbst Mitteilung bei dieser über den Aufenthaltsstatus des Antragstellers. „Dass Menschen ohne Aufenthaltsstatus dadurch gezwungen sind, ihren illegalen Aufenthaltsstatus aufzudecken, wird ihnen vom Gesetzgeber – zulässigerweise – zugemutet“ (Cyrus o.J.: 49). [4] In beiden Fällen steigt die Wahrscheinlichkeit einer Abschiebung, weshalb Menschen ohne Papiere in vielen Fällen vom Behördenkontakt, bzw. dem Arztbesuch absehen. Dieser Umstand ist besonders dramatisch für Kinder, denen eine ärztliche Behandlung aus Angst vor Statusaufdeckung verwehrt bleibt (vgl.: Kößler et al. 2013: 33f; ZEKO 2013: 901). Die Heinrich Böll Stiftung kritisiert hinsichtlich dieser Zustände und der aufgeführten Zugangsbarrieren:
Die Chance für eine frühzeitige Diagnose und Therapie wird dadurch [oft] vertan. Der Verlauf einer Krankheit droht schwerer zu werden. Infektionskrankheiten werden nicht ausreichend therapiert, Krebserkrankungen zu spät erkannt, bei chronischen Leiden entstehen Folgeschäden an anderen Organen, Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen werden nicht in Anspruch genommen. Illegalisierte kommen so in gesundheitsschädliche oder sogar lebensbedrohliche Situationen, die an sich vermeidbar wären (Jenssen et al. 2009: 25).
Im Notfall ist ein vorheriger Antrag des Patienten auf die Übernahme der Kosten beim Sozialamt unzumutbar – es greift der sogenannte Nothelferparagraph (§ 25 SGB XII). Ärzte sind im Notfall zur Behandlung verpflichtet und die ambulant oder stationär Hilfeleistenden haben einen Anspruch auf Kostenerstattung beim Sozialamt. Dies soll die Gefahr für „Papierlose“ verringern, im Notfall abgewiesen zu werden. Nichts desto trotz bleibt die Kostendeckung für Krankenhäuser ungewiss und stellt in der Praxis ein Haupthindernis dar, wodurch es nicht ungewöhnlich ist, dass statuslose Patienten, denen eine Bezahlung oder Baranzahlung aus eigenen Mittel nicht möglich ist, die Notaufnahme ohne Untersuchung verlassen. Die Abweisung von Patienten liegt zum Teil an den hohen Anforderungen der vom Sozialamt geforderten Bedürftigkeitsprüfung und dem immensen Verwaltungsaufwand für das Krankenhaus, der dazu führt, dass Kliniken auf ihren Kosten sitzen bleiben oder prozessieren müssen (vgl.: Huschke 2013: 33; Kößler et al. 2013: 40f.; Voigt 2015: 17).
Behandelt das Krankenhaus einen Menschen ohne Papiere trotzdem, erhält das Sozialamt im Zuge des Verfahrens der Kostenerstattung von der Krankenhausverwaltung Kenntnis über den Status des Patienten und eine etwaige aufenthaltsrechtliche Illegalität. Durch den verlängerten Geheimnisschutz, der sich aus der Schweigepflicht der Ärzte ergibt und sich auf die Krankenhausverwaltung sowie das Sozialamt ausweitet, sollte eine Datenübermittlung an die Ausländerbehörde theoretisch nicht stattfinden, und somit der Statusaufdeckung sowie der folgenden Abschiebungsandrohung vorgebeugt sein (vgl. Kößler et al.2013: 40f.). „Dieser Umstand ist jedoch weithin unbekannt, weshalb Patienten sogar in Notfällen damit rechnen müssen, nachträglich gemeldet und gegebenenfalls ausgewiesen zu werden (ZEKO 2013: 900). Eine qualitative Studie von Susann Huschke berichtet darüber, dass „Unwissenheit beim Verwaltungspersonal […] zu schwerwiegenden Konsequenzen für die Betroffenen in Form der drohenden Abschiebung [führt]“ (Mylius 2016: 18). Zu beachten ist zudem, dass das Sozialamt im Rahmen der Prüfung der Leistungsberechtigung des Patienten, gesetzlich zu einem Datenabgleich mit der Ausländerbehörde ermächtigt ist, wodurch das Risiko der Aufdeckung und Abschiebung – auch bei einem Notfall – abermals steigt (vgl.: Kößler et al. 2013: 36; Hollstein 2017: 274).
Darüber hinaus gilt gemäß § 87 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz (ehemals § 76 Abs. 2 Ausländergesetz), dass öffentliche Einrichtungen, wie öffentliche Krankenhäuser, in der Pflicht stehen, unverzüglich die jeweils verantwortliche Ausländerbehörde, bzw. die Polizei zu informieren, sofern sie vom Aufenthalt eines Ausländers ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung Kenntnis erhalten. Es besteht also ein Spannungsverhältnis zwischen dem verlängerten Geheimnisschutz und den behördlichen Übermittlungspflichten (vgl.: Cyrus o.J.: 50f. u. 61; Kößler et al. 2013: 34).
Betroffene schreckt die Furcht vor einer Statusaufdeckung und den negativen Folgen demzufolge sogar im Notfall vom Arztbesuch ab. Eine ambulante oder stationäre Behandlung ohne die Gefahr der Statusaufdeckung im Zuge der Übermittlungspflichten ist für einen Patienten nur möglich, wenn dieser die Behandlung selbst bezahlt. „Wegen der begrenzten materiellen Ressourcen der meisten Menschen ohne Papiere stellen Selbstzahler in dieser Zielgruppe die absolute Ausnahme dar.“ (BAG Gesundheit 2007: 15)
Diese Umstände führen zu untragbaren Situationen, wie folgendes Beispiel eindringlich verdeutlicht: Ein Mann der unter heftigem Husten und hohem Fieber litt, sich aber aus Angst weigerte zum Arzt zu gehen, wurde von seinen Mitbewohnern ins Krankenhaus „geschleppt“, als der Zustand zu kritisch wurde. Entgegen aller Annahmen bekam er dort keine Behandlung, sondern es wurde die Polizei verständigt, die den Mann in ein Haftkrankenhaus verfrachtete. Erst dort diagnostizierten die Ärzte die offene Tuberkulose (Cyrus o.J.: 52f.).
Deutsches Souveränitätsrecht wiegt offensichtlich mehr als Humanität. Diese wird, frei nach dem Subsidiaritätsprinzip, zivilgesellschaftlichen Akteuren zugetraut, die die strukturellen Mängel ausgleichen und einen Ausweg für Hilflose suchen und bieten.
Ausweg ehrenamtliche Versorgung
Ein Ausweg aus dem Dilemma – „krank oder Abschiebung“ – bieten sogenannte medizinische Flüchtlingshilfen (Medibüros, -netze, -beratungen), die seit der ersten Gründung eines Medinetzes 1994 in Hamburg den ungenügenden Zugang zu gesundheitlichen Versorgung für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität kompensieren. Bis heute, und gerade im Zusammenhang mit der Syrienkrise, führen wachsende Flüchtlingszahlen – samt der entsprechenden Medienpräsenz – und der damit einhergehende stetig steigende Bedarf zu einer Ausweitung des Angebots solcher „humanitär motivierter“ (Hollstein 2017: 275) Medinetze. Die Initiativen sind zumeist als Verein organisiert, „um Spendenbescheinigungen ausstellen zu können“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Sie bestehen nunmehr in 39 deutschen Städten und haben ein Netzwerk von Ärzten und Fachärzten aufgebaut, die sich bereit erklärt haben, medizinische Versorgung ehrenamtlich oder zu einem geringen Satz nach der Gebührenordnung für Ärzte zu übernehmen (vgl.: Kößler et al. 2013: 48f.; Mylius 2016: 95).
Definiert werden die medizinischen Flüchtlingshilfen, die neben medizinischer Unterstützung auch zahlreiche zusätzliche Dienste wie Rechtsberatung, Umzugshilfe und „Dolmedging“ leisten und organisieren, vom Deutschen Roten Kreuz wie folgt:
Medinetze und Medibüros sind Initiativen bzw. gemeinnützige Vereine und in den meisten deutschen Großstädten mit dem Zweck tätig, Menschen ohne oder mit ungesichertem Aufenthaltsstatus einen anonymen und kostenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung zu ermöglichen (Kößler 2013: 48).
Über die angebotenen Vermittlungssprechstunden der medizinischen Flüchtlingshilfen werden die Hilfesuchenden – je nach Symptomen und ersten Befunden – an die in einer Kartei verzeichneten Ärzte, Psychologen, Hebammen, etc. vermittelt (vgl. Mylius 2016: 95f.). Gegenüber den unsachkundigen Sozialarbeitern, welche über den formellen Weg im Bedarfsfall den Behandlungsschein bewilligen, beurteilen in den Vermittlungssprechstunden fachkundige Leute den Gesundheitszustand. Dort arbeiten Pfleger, „Ärzte, […] Medizinstudenten, […] Ärzte im Ruhestand (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Eine der Interviewpartnerinnen beschreibt: „die Leute, die eben nich zum Arzt gehen können, nich gemeldet sind, nich einfach ins Krankenhaus können, die rufen bei uns an, und wir schöpfen aus einer Kartei von Ärzten, die anonym und kostenlos behandeln und sind dann quasi nur so die Schnittstelle“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Auf die oben ausgeführten Unklarheiten hinsichtlich der Übermittlungspflichten öffentlicher Einrichtungen ist zurückzuführen, dass eine Vermittlung von Menschen ohne Papiere im Rahmen medizinischen Engagements größtenteils nur in Kooperation mit privaten Trägern stattfindet, wie aus folgendem Kommentar einer der Interviewpartnerinnen hervorgeht: „melden müssen Institutionen[5] und deswegen können wir auch nicht mit der Uniklinik zusammenarbeiten. […] Wir arbeiten mit privaten Krankenhäusern zusammen und das sind dann kirchliche“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Dem ehrenamtlichen Engagement von Einzelpersonen kommt im Rahmen humanitärer Hilfe eine besondere Bedeutung zu. Einerseits bei der Etablierung der Medinetze, was sich am Beispiel einer der Interviewpartnerinnen verdeutlicht. Sie berichtet von einer Initiative, die sie, mit Unterstützung bestehender Flüchtlingshilfen, schaffen konnte: „[…] ich hab da so´n [Netzwerk] aufgebaut von Ärzten, die die Patienten dann kostenlos und anonym behandeln“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Andererseits auf organisatorischer Ebene der Medinetze: „die Ehrenamtler tragen ganz alleine diese Sprechstunde. Also die Organisation ist sehr angewiesen auf Ehrenamtler. […] Und diese ganze Vermittlung von illegalisierten Menschen läuft nur über Ehrenamtler. […] Also eigentlich sind wir immer so die Schnittstelle zwischen Ärzten und auch zwischen Patient und Arzt“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Ausschlaggebende Faktoren für das Engagement in der medizinischen Hilfe sind eine humanitäre Grundüberzeugung, Nächstenliebe, persönlich ethisches Grundverständnis und ein „allgemeines“ (Interview Düsseldorf 03.11.2016: Engagierte in der medizinisch-psychologischen Flüchtlingshilfe) oder „ursprüngliches Ethos“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe) unter Medizinern, welches sich die Ehrenamtler zu Eigen gemacht haben. Das folgende Zitat einer Interviewpartnerin erklärt: „Wir [Mediziner] müssen was tun. Wir sehen alle das Problem und […] haben dann eben mitgeholfen“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Es dreht sich beim humanitären medizinischen Engagement ausschließlich um den Menschen und seine Gesundheit, nicht um dessen Geschichte oder Taten, wie folgender Kommentar verdeutlicht:
[…] ich diskutier´ ganz viel darüber, ob es richtig ist oder nich was wir da machen an Unterstützung für Menschen ohne Papiere. Weil das natürlich kann man das so auslegen, das das Unterstützung ist von illegalen Strukturen. Und da ist es mir immer sehr wichtig zu trennen. Okay. Ich will überhaupt nicht wissen, was `nen Mensch für´n Hintergrund hat, was der jetzt für Papiere hat oder nicht sondern ich möchte, dass jeder Mensch die gleiche Grundversorgung bekommt und egal welchen Status er hat, wo er herkommt und was er vielleicht in seinem Heimatland oder hier in Deutschland getan hat. Das finde ich is’n wichtiger Ansatz für humanitäre Hilfe, dass man das außen vor lässt“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).[6]
Die Vermittlung der Patienten koordinieren die Ehrenamtler so, dass der Arbeitsaufwand die Ärzte nicht überlastet, denn „die Ärzte machen das ja zusätzlich auf ihre normale Tätigkeit drauf und dann muss immer so´n bisschen geguckt werden, wer hat jetzt wie viele schon in der letzten Wochen behandelt“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Das ehrenamtliche Engagement der Ärzte, Vermittler und Helfer kompensiert somit den anfallenden Arbeitsaufwand. Es bleibt jedoch die Frage offen, wer die Material- und Behandlungskosten, gerade bei „großen Sachen“ wie Operationen oder Geburten, übernimmt.
Finanzierungspraktiken und -probleme ehrenamtlicher medizinischer Versorgung
Neben den Kosten für ärztliche Leistungen entstehen durch ambulante oder stationäre Behandlungen auch Kosten für Arzneimittel und Rehabilitation. Diese können teilweise im Rahmen der humanitär motivierten Parallelstrukturen durch die ehrenamtlichen Leistungen und Mittel der Helfer, Ärzte, Pfleger, Apotheker und den Medinetzen aufgefangen werden. Eine Interviewpartnerin bestätigt: „[…] wir schicken dann zu den Ärzten. […] Meine Ärzte arbeiten ehrenamtlich und wir bezahlen dann nur Materialkosten“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Eine leicht abweichende Beschreibung von Finanzierungspraktiken bietet eine andere Interviewpartnerin:
den Arbeitsaufwand zahln natürlich die Ärzte. Und ihre Kosten, die in der Praxis anfallen. Aber wenn´s dann so an OPs oder Geburten oder so geht, dann wird das entweder übers Krankenhaus irgendwie – ja verschwindet irgendwo – oder wird über Spendengelder finanziert (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Und auch eine weitere Interviewpartnerin beschreibt einen Bestandteil der Kostendeckung medizinischer Leistungen für bedürftige Menschen auf der Flucht: „Wir haben eine Apothekerin in der Gruppe, die spendiert das aus ihrer eigenen Apotheke halt dann, aber das sind so Kleinigkeiten dann (Interview Bochum 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Tina Hollstein – Leiterin einer qualitativ-empirische Studie zum Thema illegale Migration – fasst treffend zusammen: „Solche medizinischen Angebote, beruhend auf dem Engagement von Einzelpersonen oder gemeinnützigen Institutionen, sind wesentliche Eckpfeiler in der Gesundheitsversorgung von Personen ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland geworden“ (Hollstein 2017: 277).
Die medizinischen Flüchtlingshilfen helfen zwar dabei, dass Menschen ohne Papiere ihr Menschenrecht auf Gesundheit wahrnehmen können. Mangels hinreichender Finanzierungsmöglichkeiten ist jedoch eine adäquate, nachhaltige und flächendeckende medizinische Versorgung von Menschen ohne Status nicht zu leisten (vgl. Schmidt-Semisch 2015: 104).
So scheitert die Kooperation zwischen den Medinetzen und manchen Krankenhäusern stellenweise bereits auf Grund der Kostenfrage. Eine unserer Interviewpartnerinnen beschreibt diesen Umstand:
[…] ich hab aber die sehr frustrierende Erfahrung gemacht, dass das nich so selbstverständlich is. Also das wir bei ganz vielen Krankenhäusern auf Beton stoßen, wenn wir versuchen unser Anliegen anzubringen. Das es dann immer heißt, „Ja wer zahlt das? […]“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Um die Kosten ansatzweise zu decken, organisieren sich die meisten Medinetze wie bereits erwähnt als Verein, denn „es ist ganz schwierig, ohne ein Verein zu sein, an Gelder zu kommen. Geht eigentlich gar nicht“ (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Notwendige Krankenhausaufenthalte können somit über Spenden getragen werden: „unsere OPs werden über Spendenaufrufe finanziert“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Wobei auch eine Kooperation des Krankenhauses erforderlich ist, um die Kosten niedrig zu halten: „Krankenhausaufenthalte […] in jedem Einzelfall wird der Preis verhandelt und dann wird der auch günstiger. Das geht ja alles“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Die Angewiesenheit auf Mäzene ist so nach Auffassung einer unserer Interviewpartnerinnen jedoch ein unhaltbarer Zustand. Sie plädiert an die Stadt, „dass da Gelder zur Verfügung gestellt werden und anonyme Behandlung möglich gemacht wird“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Ebenso erwartet sich ein weiterer Interviewpartner von der Stadt „mehr finanzielle Mittel zur Bewältigung der Aufgabe. Wir leben größtenteils von Spenden“ (Interview Bochum 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Kritisch merkt eine Interviewpartnerin an:
[…] was die Stadt […] angeht, geht es eigentlich nicht, dass Ehrenamtler Aufgaben übernehmen und dann auch übernehmen müssen und das dann auch machen, weil es um die Menschen geht, was eigentlich Aufgabe zum Beispiel vom Gesundheitsamt wäre. Also das geht eigentlich auch nicht, aber das läuft nicht nur in [Stadt] sondern das läuft überall denk ich so (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Vereinzelt haben dies Städte erkannt und sich bereits zur Unterstützung der Finanzierung von Parallelstrukturen bereit erklärt und leisten über extra eingerichtete Fonds einen aktiven Beitrag für lokale medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere, wie die Beispiele im folgenden Abschnitt verdeutlichen.
Auf lokaler Ebene existiert in Bayerns Hauptstadt der sogenannte Münchner-Fond für nichtversicherte Personen, der sich aus Mitteln eines extra gegründeten gemeinnützigen Vereins speist (vgl. Huschke 2013: 28).
Darüber hinaus stellt die Stadt München über einen Notfallfond konstant finanzielle Unterstützung für medizinische Versorgung in Höhe von 100.000 Euro jährlich, sowie direkte kommunale Ansprechpartner in relevanten Behörden zur Verfügung (Wilmes 2013: 2).
Eher punktuell leistet die Stadt Köln finanzielle Unterstützung für den von Nicht-Regierungs-Organisationen verwalteten „kleinen“ Fond für die Kosten von Krankenhausaufenthalten von Nichtversicherten (2 x 20.000 Euro) (ebd.) Der extra „zur Finanzierung stationärer Krankenhausaufenthalte geschaffene Fond ermöglicht zwar einigen irregulären Migranten stationäre Behandlungen, ist jedoch keinesfalls kosten- bzw. bedarfsdeckend“ (Mylius 2016: 59f.). Zudem erfolgte eine Zuwendung von 40.000 Euro für das lokale Beratungsnetzwerk. Dieses besteht aus der Malteser Migranten Medizin, einer anonymen Sprechstunde des Gesundheitsamtes und verschiedener nichtstaatlicher Beratungsstellen (Wilmes 2013: 2).
In Hamburg existiert ebenfalls ein öffentlich gespeister Notfallfond für die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus, für den die Stadt einmalig 500.000 Euro zur Verfügung stellte. Mittels dieses Modellprojekts können – nach vorheriger Prüfung des aufenthaltsrechtlichen Status, der Möglichkeit anderweitiger Absicherungsvarianten im Krankheitsfall sowie der Option der Integration in die Sozialsysteme – Gelder für Medikamente sowie Behandlung und Materialien gewährt werden. Sie dienen also einer Teilfinanzierung. Zuständig für die Prüfung ist die 2012 ins Leben gerufene „Clearingstelle“, welche über eine Hotline eine anonymisierte Einzelfallbesprechung mit den Behörden führen kann. Gesprächs- und Beratungskosten der Ärzte sind nicht abgedeckt. Diese sind als ehrenamtliche Leistungen vorgesehen (vgl.: Amt für Soziales Hamburg 2012: 1f.; Mylius 2016: 96).
Über die Clearingstelle der Initiative STAY! (Medinetz in Düsseldorf) können papierlose Menschen in Düsseldorf eine anonyme „gesundheitliche Regelversorgung erhalten“ (Neubauer 2016: o.S.). Neben zahlreichen ehrenamtlichen Ärzten und Helfern wird die Initiative seit 2015 von der Stadt Düsseldorf durch 100.000 Euro pro Jahr und eine Planstelle unterstützt. Der „Fond der Stadt“ wurde für „papierlose Menschen in akuten medizinischen Notlagen“ eingerichtet und ermöglicht den Hilfesuchenden, nach erfolgtem Clearingverfahren, medizinische Unterstützung (ebd).
Einige Städte haben somit den Handlungsbedarf erkannt und versuchen in Eigenregie eine Linderung der defizitären medizinischen Versorgung von Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität zu erwirken.
Nach Auffassung einer unserer Interviewpartnerinnen kann das „auch ein Bundesland schaffen“ (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Es schließt sich somit folgende Frage an: Wie kann eine hinreichende Finanzierung auf Landes- oder Bundesebene sichergestellt werden?
Der folgende Abschnitt reflektiert die Finanzierungsansätze, die eine Lösung des beschriebenen Dilemmas herbeiführen könnten.
Anonymisierter Krankenschein (Theorie)
Um Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus medizinisch zu versorgen, wird immer wieder der anonymisierte Krankenschein thematisiert, auf dessen Grundlage Leistungen nach dem AsylbLG oder einer anderen Bemessungsgrundlage beim Sozialamt abgerechnet werden könnten. Der Behandlungsschein könnte von nichtstaatlichen örtlichen Beratungsstellen oder Anlaufstellen der kommunalen Verwaltung, die unter ärztlicher Leitung stehen, vermittelt werden. Eine Datenübermittlung an die Ausländerbehörde wäre bei dieser Kostenübernahmevariante, auf Grund fehlender Übermittlungspflichten und des verlängerten Geheimnisschutzes, nicht vorgesehen. In Italien beispielsweise ist im Kontext der anonymen Registrierkarte eine Weitergabe von Daten an die Ausländerbehörde gesetzlich untersagt. Allerdings wird der anonyme Krankenschein bisher auf Grund fachlicher und rechtlicher Bedenken in keinem Bundesland regulär praktiziert (vgl.: BAG Gesundheit 2007: 25; Cyrus o.J.: 57f.; Wiesner et al. 2008: 26). Denn der anonyme Krankenschein böte Menschen ohne Aufenthaltsstatus weder einen Anreiz, noch die Möglichkeit, aus der Illegalität aufzutauchen, sonder unterstütze die Entstehung weiterer, kostspieliger Parallelstrukturen (Amt für Soziales Hamburg 2012: 1). Möglicherweise sind diese Argumente auch Grundlage der Erfahrungen einer unserer Interviewpartnerinnen, die berichtet: „Wir sind, weiß ich nicht, seit Jahren zugange mit dem anonymisierten Krankenschein für „Papierlose“ und das wird dann jeweils von denen, die die Möglichkeit hätten, was zu machen, wird das vertröstet oder abgeblockt“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Trotz der Bedenken hat, nach dem Land Berlin, nun auch der Landtag Niedersachen Modellversuche zum anonymen Krankenschein beschlossen. Umsetzung und Evaluation stehen allerdings bis heute aus (vgl.: Penteker 2015: o.S.; Schmidt-Semisch 2015: 104).[7]
Mit staatlich veranlasster Gründung einer Stiftung, deren Budget sich aus privaten Zuwendungen – welche für sich genommen niemals für eine adäquate Finanzierung ausreichten – und Mitteln des Bundeshaushaltes speist, könnte den Finanzierungsproblemen entgegengetreten werden. Eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung würde durch die Hauptaufgabe der Stiftung ermöglicht (BAG Gesundheit 2007: 22f). Diese besteht darin,
den finanziellen Ausgleich unbezahlter Rechnungen von lokalen Krankenhäusern, Ärztinnen und Ärzten, Hebammen und anderen Berufsgruppen zu gewährleisten, die Gesundheitsversorgungsleistungen zugunsten von Nichtversicherten ohne anderweitige Kostenerstattung erbringen (ebd. 23).
Auch Cyrus sieht einen mit öffentlichen Geldern gespeisten Fond, aus dem die ehrenamtlichen Beratungsstellen schöpfen können, um notwendige medizinische Behandlungen finanzieren zu können, als praktikablen Lösungsansatz. Öffentliche Mittel, welche der Staat im Rahmen des AsylbLG für Menschen ohne Papiere ohnehin zur Verfügung stelle, könnten für den Fond eingesetzt werden (vgl. Cyrus o.J.: 56 u. 62).
Beispielsweise werden in den Niederlanden die Kosten für die medizinische Behandlung von Menschen ohne Papiere „durch Zahlungen aus teilweise staatlich finanzierten, aber privat verwalteten Fonds“ (ebd.: 6) erstattet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass ein sogenannter „pull Effekt“ bzw. ein „Medizintourismus“ – also eine Sogwirkung – ausbleibt (Hollstein 2017: 284).
Problematisch ist jedoch – so zeigen die Erfahrungen aus den Niederlanden, in denen ein solcher Fond existiert – der hohe Verwaltungsaufwand des Kostenerstattungsverfahrens für den Antragsteller (Ärzte, Krankenhäuser), der Zweifel an der Effektivität, bzw. der Entlastung, einer solchen Lösung für Leistungserbringer aufkommen lässt (BAG Gesundheit 2007: 24).
Schlussbemerkung
Die vorgestellten Lösungspraktiken und -ansätze stellen laut der Bundsarbeitsgemeinschaft Gesundheit lediglich eine Teillösung für die strukturellen Mängel, insbesondere der Finanzierung von medizinischen Leistungen für Menschen ohne Papiere dar. Nach einhelliger Auffassung der BAG bedarf es zur Verbesserung der Situation einer Neuregelung der Übermittlungs- und Meldepflichten – also bundespolitische Reformen (vgl. BAG Gesundheit 2007: 22). So fordern verschiedenste Akteure wie Kirchen, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen schon seit langem einen politischen Paradigmenwechsel, der dem menschenrechtlichen Anspruch auf medizinische Versorgung für „Papierlose“ gerecht wird (ebd: 13). Zwar wurde die medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere in der letzten Zeit zunehmend als politische Aufgabe erkannt, konkrete Umsetzungen blieben bis dato jedoch aus und auch die jüngsten Modifikationen des Asylrechts bewirken keinerlei Änderungen (vgl. Seyler 2015: 3). Deutschland zählt weiterhin zu den wenigen EU-Staaten, welche das Recht auf ein Höchstmass an körperlicher und geistiger Gesundheit für manche verkennt und Migrationskontrolle höher bewertet als anerkannte Menschenrechte. Illegale Migration und Aufenthalte werden mit Terrorismus gleichgesetzt und als Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands interpretiert und publiziert. Eine repressive Migrationspolitik ist die Folge. Die Übermittlungspflichten bilden weiterhin das größte Hemmnis bei der Realisierung sozialer Rechte (vgl.: BMI 2007: 13; Cyrus o.J.: 5; Hollstein 2017: 17; ZEKO 2013: ).
Norbert Trelle, Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, fasst den sich ergebenden Widerspruch treffend zusammen:
„Eine restlose Auflösung der … Spannung zwischen der Migrationskontrolle als Teil des Ordnungsrechts einerseits und den Rechten der Menschen ohne Aufenthaltsstatus andererseits wird es nicht geben. Die derzeitige einseitige Betonung des Ordnungsrechts verschärft diese Spannung allerdings, ohne dabei das Ziel der besseren Kontrolle überhaupt zu erreichen.“ (Penteker 2015: o.S.)
Repressive Maßnahmen können gesetzlich geschaffene Illegalität nicht verhindern, verschärfen aber humanitäre Problemlagen, welche politisch aufgefangen werden müssten, jedoch auf zivilgesellschaftlicher Ebene angegangen werden. Mäzene, Ehrenamtler und humanitäres Engagement schaffen es zwar die größten Löcher im Sozialnetz zu flicken. Langfristig braucht es jedoch mehr als die bloße Anerkennung und das Lob seitens der Politik, sondern es müssen schnellstmöglich Lösungen geschaffen werden, die gleichermaßen sicherheitspolitisch wirksam als auch humanitär vertretbar sind.
Flexibilität, Kreativität, Strukturen
– ehrenamtliches Engagement in der medizinischen Versorgung zwischen Herausforderung, Bedarfsorientierung und individuellen Einsatz-
Der Fokus des vorliegenden Beitrags liegt auf den vor dem Hintergrund der Zuwanderungsentwicklungen neu entstandenen Formen des Engagements. In der medizinischen Versorgung von Geflüchteten handelt es sich bei diesen neuen Engagementformen um Sprechstunden, die von engagierten Ärztinnen und Ärzten in Gemeinschaftsunterkünften angeboten werden. Diese Sprechstunden sollen auf Basis der Analyseergebnisse der Interviews in ihrer strukturellen Ausprägung dargestellt werden. Zu Vergleichszwecken wird hinsichtlich einiger Elemente auch auf die lang etablierten Strukturen in der medizinischen Flüchtlingshilfe, in Form von Vermittlungshilfen in die medizinische Versorgung, Bezug genommen.
1. Ausgangssituation
In den letzten Jahren ist die Zahl der Flüchtlinge weltweit drastisch gestiegen (vgl. Karakayali und Kleist 2015: 4). Mit steigender Flüchtlingszahl stieg auch die Anzahl der freiwillig Engagierten (vgl. Aumüller 2016: 2). Es entstanden vielfach neue Formen und Strukturen des Engagements (vgl. Han-Broich 2016: 7). Hamann et al. (2016: 13) beschreiben in ihrer Studie „Koordinationsmodelle und Herausforderungen ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe in den Kommunen“ aus dem Jahre 2016 die Situation wie folgt: „Die freiwillig Engagierten reagierten auf ein staatliches Defizit im Umgang mit der zwischen 2011 und 2015 stark zunehmenden Einwanderung flüchtender Menschen in die Bundesrepublik Deutschland.“
Auch in der medizinischen Versorgung bestehen solche Defizite. Ehrenamtliche Sprechstunden in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete bilden eine neue, kurzfristig entstandene Engagementform im Bereich der medizinischen Flüchtlingshilfe. Sie können als eine derartige Reaktion verstanden werden.
Die Herausforderung, die sich aufgrund von strukturellen staatlichen Defiziten und Überforderungen hinsichtlich der hohen Anzahl an Einwanderern in der medizinischen Versorgung ergeben, schließt einerseits die Erstuntersuchungen mit ein. Neben der administrativen Erfassung mussten die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge erstuntersucht werden (vgl. Heer 2016: 334). Diese Erstuntersuchung sollte in der Regel durch das zuständige Gesundheitsamt durchgeführt werden (vgl. Klein und Kipke 2016: 327). Andererseits bedurften viele der Geflüchteten vor allem aufgrund der strapaziösen Flucht und im Sinne der Integration einer medizinischen Versorgung (vgl. Nicolai 2016: 323).
Der Umfang der medizinischen Versorgung wird durch das Asylbewerberleistungsgesetz auch für die in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAEs) und in weiteren Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Asylsuchenden geregelt (vgl. Klein und Kipke 2016: 331). Demnach stehen den Flüchtlingen Grundleistungen zu, zu denen eben auch medizinische Leistungen zählen (vgl. Klein und Kipke 2016: 328). Diese Leistungen beinhalten unter anderem die Versorgung im Akutfall und bei Schmerzen (vgl. Klein und Kipke 2016: 330). Hingegen ist unter anderem die medizinische Behandlung für chronische Erkrankungen damit nicht abgedeckt (vgl Schouler-Ocak 2015: 3).
Die tatsächliche Qualität der medizinischen Versorgung entlang der Unterkünfte variierte qualitativ jedoch stark unter den Bundesländern (vgl. Heer 2016: 332). Vorteile bestanden entlang der Unterkünfte, in denen den Asylsuchenden bereits vor dem Anstieg der Flüchtlingszahlen eine medizinische Versorgung strukturell gewährleistet und an die angeknüpft werden konnte (vgl. Heer 2016: 333). Folgende Aussage von Heer (2016: 332) in der Fachzeitschrift Notfall + Rettungsmedizin fasst die herausfordernde Situation zusammen:
Die medizinische Erstuntersuchungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) und die medizinische Grundversorgung im ambulanten und stationären Sektor nach den Regeln des Asylbewerberleistungsgesetzt mussten sich in dieser Gemengelage sehr schnell qualitativen und zunächst ungeahnten quantitativen Aufgaben stellen. Besonders die Monate September und Oktober 2015 waren ob der schieren Menge der Asylsuchenden und der damit teilweise verbundenen schwierigen Zustände in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine Nagelprobe für die bis dahin geschaffenen Strukturen.
Neben den überforderten Versorgungsstrukturen kommt für die Asylsuchenden auch der erschwerte Zugang zu der medizinischen Versorgung herausfordernd hinzu (vgl Schouler-Ocak 2015: 3). Um medizinische Versorgungsleistungen zu erhalten, bedurfte es eines Behandlungsscheins für den betroffenen Flüchtling. Der Weg dahin führte dabei oftmals über das Sozialamt. Hier entstand ein erhöhter psychischer Druck (vgl. Schouler-Ocak 2015: 3).
2. Neue Engagementstrukturen in der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen
Die aufgezeigten Defizite behinderten eine angemessene medizinische Versorgung der Geflüchteten. „Flüchtlinge und Asylbewerber benötigen jedoch primär eine regelhafte medizinische Versorgung, die vielerorts offenbar nur durch ehrenamtlich organisierte Ärzte und Pflege gewährleistet wird“ (Schouler-Ocak 2015: 4).
In vielen Einrichtungen entstanden daher Sprechstunden, die von engagierten Ärzten kostenlos durchgeführt wurden (vgl. Klein und Kipke 2016: 327). Auch im Rahmen dieser Studie konnten zwei Ärzte befragt werden, die sich in dieser Form des Engagements zum Zeitpunkt der Befragung betätigten. Die diesem Engagement zugrundeliegenden strukturellen Ausprägungen werden folgend, ausgehend von den Erkenntnissen der Interviewauswertungen, dargelegt.
Grundsätzlich lassen sich die Tätigkeiten beider Engagierten hinsichtlich ihrer organisationalen Strukturen unterscheiden. In einem Fall erfolgt die ehrenamtliche Sprechstunde selbstorganisiert. In der Absicht vor Ort helfen zu wollen, entsteht für die befragte Person ein erster Kontakt zur Flüchtlingshilfe. Aufgrund des Bedarfs in einer Gemeinschaftshalle vor Ort wird daraufhin in Zusammenarbeit mit einem Sozialarbeiter die erste Sprechstunde implementiert. Die Anfänge beschreibt die Person wie folgt:
[…] und dann habe ich mit meiner Freundin zusammen, der habe ich davon erzählt. Die ist niedergelassene Ärztin […] Und dann haben wir damit angefangen. […] so ganz primitiv, mitten in der Halle oder am Ende der Halle, aber in der Öffentlichkeit ein Tisch. Eine Seite saß sie, andere Seite saß ich und jeweils so vor Kopf dann immer ein Flüchtling und sie standen in langen Reihen und wollten kommen (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Für eine bessere Ausstattung wird selber gesorgt. Zu diesem Zweck werden Medikamente aus den eigenen Arztpraxen, sowie eine Untersuchungsliege organisiert. Es zeigt sich ein sehr hoher Bedarf und hoher Andrang, auf dessen Grundlage die Entscheidung fällt, die Reichweite des ehrenamtlichen Engagements auszubauen. „[…] und dann habe ich gedacht, ok dann machen wir es aber auch richtig und mit viel Power und im größeren Stil, so, dass viele Häuser, viele Unterkünfte dann versorgt waren“ (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Mit Rückgriff auf die beruflichen Netzwerke der interviewten Person können weitere Ärzte dazugewonnen werden. Es gelingt in einer Vielzahl von Unterkünften eine Sprechstunde anzubieten.
Die Organisation erfolgt in diesem Fall, sowohl bezüglich der Ausgestaltung des eigenen Engagements, wie auch hinsichtlich einer flächendeckenden Organisation und Koordination, rein selbstorganisiert. Das zuständige Gesundheitsamt zeigt auch auf Anfrage durch die Engagierten sehr wenig Unterstützung (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Im anderen vorliegenden Fall erfolgt der Zugang zu diesem ehrenamtlichen Tätigkeitsfeld ebenfalls zufällig. Die Sprechstunde ist bereits durch eine Arbeitsgruppe, die Teil eines Netzwerkes ist, organisiert worden. Neben dieser medizinischen Arbeitsgruppe bestehen in dem Netzwerk weitere Arbeitsgruppen mit anderen Tätigkeitsbereichen, wie zum Beispiel eine Umzugsgruppe. Zu den netzwerkartigen Strukturen gehört ein monatliches Plenum aller Gruppenvertreter. Allgemein verläuft die Kommunikation innerhalb des gesamten Netzwerks entlang eines E-Mail-Verteilers. Daneben bestehen für die einzelnen Arbeitsgruppen „Whatsapp“-Gruppen, so auch in der Medizinergruppe. Dieser kommunikative Austausch durch den Rückgriff auf den Messengerdienst wird in der medizinischen Gruppe durch monatliche Treffen zwischen den Engagierten flankiert, in denen aktuelle Probleme und Bedürfnisse v.a. in materiellen Belangen besprochen werden (Interview 31.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Die Kommunikation erfolgt auch im Falle der selbstorganisierten medizinischen Versorgung und ebenso in den lang etablierten Organisationsstrukturen in der medizinischen Flüchtlingshilfe mit Rückgriff auf Messengerdienste, wenn auch andere als „Whatsapp“ (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Zum Zwecke einer vereinfachten Organisation wird folglich, sowohl in den neu entstandenen Strukturen, wie auch in lang etablierten Organisationen und Vereinen, auf die neuen Medien zurückgegriffen. Neben den Unterschieden in der organisationalen Struktur lassen sich hinsichtlich der Kommunikation demnach auch Gemeinsamkeiten ausmachen.
Die Arbeitsinhalte, die die befragten Ärzte in diesen Sprechstunden übernehmen, lassen sich in drei Gruppen einteilen. Zum einen sind es Aufgaben, die eigentlich im Zuge der Erstuntersuchung von den Unterkünften bzw. den zuständigen Gesundheitsämtern gewährleistet werden müssen. Die Erstuntersuchung beinhaltet neben „einer körperlichen Inaugenscheinnahme“ und der Untersuchung auf Tuberkulose auch ein differenziertes Impfangebot für Kinder sowie eine Impfausweiskontrolle (Bezirksregierung Arnsberg 2015: 1 f.). Das Impfangebot übernehmen oftmals ehrenamtlich engagierte Ärzte (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe, Interview Bochum 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Ein zweiter Bereich ergibt sich aus dem eingeschränkten Umfang und dem hürdenvollen Zugang zur medizinischen Versorgung für Flüchtlinge. Die Ärzte behandeln kleinere Erkrankungen selbst vor Ort und schaffen damit eine Basisversorgung, die aber keine flächendecke Versorgung ersetzt (Schouler-Ocak 2015: 4). Dies wird von einem Interviewten (Interview 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe) wie folgt beschrieben: „[…] wir bieten Sprechstunden für Landesflüchtlinge an, also die noch nicht in die Kommune zugeteilt worden sind, um so ne Art Basisversorgung sicherzustellen. Also das ersetzt sicherlich jetzt keinen Hausarzt […].“ Des Weiteren werden Listen und Scheine nach Dringlichkeit ausgefüllt, und die Geflüchteten bei Bedarf an entsprechende Fachärzte weitervermittelt (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Ein dritter Aufgabenbereich, der von einem der ehrenamtlich engagierten Befragten übernommen wird, ist, die Wege für eine Behandlung in einem Krankenhaus durch Reduktion der Komplexität in den Verfahren zu vereinfachen (Interview 31.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Aktuell hat sich die Lage in den vorliegenden Städten bzgl. der medizinischen Versorgung der Asylsuchenden entspannt. Viele Landesunterkünfte wurden aufgrund geringerer Zahlen von Neuankömmlingen geschlossen (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Zudem haben einige Städte verbesserte Wege für die medizinische Versorgung der Asylsuchenden geschaffen, wie beispielsweise die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Dadurch ist die gesundheitliche Versorgung nun anders geregelt.
3. Engagement über die medizinische Versorgung hinaus: Bedarfsorientierung und individueller Einsatz
Ein entscheidender Punkt für Strukturen in der Flüchtlingshilfe ist die Bezugnahme auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge. Han- Broich (2016: 24) stellt die Wichtigkeit der Bedarfsorientierung wie folgt dar: „Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch das fantasievollste Projekt ohne den konkreten Bezug zu den real-akuten Bedürfnissen von Ehrenamtsadressaten und Ehrenamtsakteuren verlorene Liebesmühe ist.“
Die hohe Bedarfsorientierung der Strukturen in der medizinischen Flüchtlingshilfe lässt sich an verschiedenen Faktoren ausmachen.
Zum einen spiegelt das breite Spektrum der angebotenen Leistungen in den verschiedenen Engagementformen die bestehenden Notwendigkeiten und Bedürfnisse wieder. Wie bereits dargestellt findet die Organisation einer medizinischen Sprechstunde im Rahmen eines Netzwerkes statt, das innerhalb einzelner Arbeitsgruppen auch viele weitere Unterstützungsangebote in der Flüchtlingshilfe bedient (Interview 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Aber auch innerhalb der etablierten Strukturen in der Vermittlung der Hilfesuchenden an medizinische Versorgungsanbieter, beschränkt sich das Angebot nicht mehr ausschließlich auf die medizinische Versorgung. Hier werden die Strukturen ausgebaut und ermöglichen nun auch Vermittlung zu kostenlosen Rechtsberatungen (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe) oder die Organisation besteht aus verschiedenen Sparten, zu denen neben der medizinischen Vermittlung auch die Psychotherapie und Sozialberatung gehört (Interview 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Diese Formen des Engagements, die aufgrund der Bedarfslage weit über eine rein medizinische Versorgung hinausgehen, lassen sich jedoch nicht nur bei den stärker strukturierten Organisationen bzw. Projekten finden, wie das Netzwerk oder die lang etablierten Vereine. Auch beim selbstorganisierten Engagement wird trotz des bereits hohen Aufwands für Koordination und Organisation die Unterstützung stark ausgeweitet. Den engagierten Ärzten kommt bei der Bedarfserfassung ihr Beruf zugute, welcher ein schnelles Vertrauen der Hilfesuchenden ermöglicht. Durch Vertrauen und durch den direkten Kontakt mit den Geflüchteten entsteht schnell ein Automatismus. Flüchtlinge warten auf die helfenden Ärzte und wenden sich mit ihren Bedürfnissen oft auch bezügliche materieller Dinge an sie (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Dies führt dazu, dass auch im selbstorganisierten Feld eine Ausweitung erfolgt und neben der medizinischen Versorgung die Organisation von Spenden übernommen wird. Ein weiteres Beispiel für die Anpassung der Strukturen an die Bedürfnisse ist die Implementierung einer Frauengruppe in einer Gemeinschaftsunterkunft, die nicht nur auf medizinische Belange begrenzt ist. Den teilnehmenden Frauen wird so ein gewisser Freiraum in der Gemeinschaftshalle ermöglicht:
„Da durften also weder Kinder noch Männer rein und da haben dann die Frauen dann einfach erzählen können. Wir haben Tee getrunken. Ich habe immer Kekse und Tee und Saft oder sonst was mitgebracht. Und dann haben die sich da total drauf gefreut, dass die Frauen mal für sich irgendwie so zwei Stunden hatten“ (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Neben der Ausweitung der Strukturen können aufgrund der Bedarfsorientierung auch gänzlich neue Projekte entstehen. Bestehende Lücken in der Versorgung und die Grenzen der Kapazitäten führen zu neuen innovativen Ideen, wie beispielsweise einer Online-Plattform zum Austausch von Spenden (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Zentral für die Ausgestaltung der Strukturen ist neben der Bedarfsorientierung auch der Umfang des individuellen Einsatzes der Engagierten. Dieser zeigt sich nicht nur in der rein quantitativen Stundenanzahl oder den Umfang der übernommenen Aufgaben. Oftmals reicht das Engagement bis weit in die private Ebene der Engagierten hinein. So berichteten drei der Interviewten Personen, dass auch Familienmitglieder aktiv geworden sind (Interview Bochum 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe, Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe, Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Eine interviewte Person berichtete zudem, dass sie eine Flüchtlingsfrau als Mieterin aufgenommen habe. So finde quasi ein durchgehender Deutschunterricht statt (Interview 03.11.2016: Engagierte in der medizinisch-psychotherapeutischen Flüchtlingshilfe).
4. Handlungsempfehlungen
Im Folgenden sollen die Handlungsempfehlungen beziehungsweise –erwartungen der Befragten an die verschiedenen politischen Ebenen dargestellt werden. Bewusst verzichtet wird auf die Einbeziehung von Studienergebnissen, die Handlungsempfehlungen, wie eine zentrale Koordinierungsstelle (vgl. Hamann et al. 2016: 55) oder die Etablierung von Hauptamtlichen (vgl. Aumüller 2016: 2), beinhalten. Es bestehen zwar durchaus einige Verknüpfungspunkte, wie beispielsweise der hohe zeitliche Aufwand für die Initiativen-Koordinierung. Das Augenmerk der individuell angegebenen Empfehlungen im Rahmen dieser Befragung liegt jedoch auf anderen wahrgenommenen Problemlagen und Mängeln.
Die Wünsche oder Erwartungen der interviewten Personen an die politischen Akteure lassen sich entlang von vier Ebenen anordnen.
Die Forderungen richten sich einerseits auf den allgemeinen Umgang mit der Flüchtlingsentwicklung. Erwartet wird eine offene Kommunikation, beispielsweise die Leistungen für Flüchtlinge betreffend, um vorurteilsbelasteten Ansichten der Bürger entgegenzuwirken (Interview 20.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Auch ein generell offenerer Umgang bezüglich der Asylentscheidungen ist gewünscht (Interview Witten 21.09.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Andererseits beziehen sie sich auf Mängel auf behördlicher Ebene, mit denen die Engagierten allgemein im Rahmen ihres Engagements konfrontiert werden. Oftmals sind die Zuständigkeiten zwischen den Behörden nicht geklärt, beziehungsweise werden nur schlecht kommuniziert. Hier wird ein besserer Informationsfluss gefordert (Interview 03.11.2016: Engagierte in der medizinisch-psychotherapeutischen Flüchtlingshilfe).
Im Rahmen des Ehrenamts in der psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen wurde zudem eine Handlungserwartung geäußert, die sich direkt auf das tangierte Engagement bezieht. Hier besteht, neben einer großen Versorgungslücke (vgl. Schouler-Ocak 2015: 3) und mangelnder stationärer und ambulanter Kapazitäten (vgl. Heer 2016: 333), das Problem, dass etwaige Behandlungen nicht als gesundheitliche Leistungen anerkannt werden (Interview 03.11.2016: Engagierte in der medizinisch-psychotherapeutischen Flüchtlingshilfe). Der Handlungsbedarf ist groß (vgl. Schouler-Ocak 2015: 3).
Letztlich werden Forderungen an die politische Ebene gestellt, die, genau wie auch bei dem Umfang des Unterstützungsangebots, oftmals über das eigene Tätigkeitsfeld hinausgehen. Diese beziehen sich auf andere vorliegende Mängel, die von den Engagierten als relevant angesehen werden. So wird unter anderem ein Weiterdenken bezogen auf das Angebot von Wohnräumen gefordert (Interview Bochum 25.10.2016: Engagierte in der medizinischen Flüchtlingshilfe). Darüber hinaus wird die Ausweitung des Sprachkursangebots (zur Bedeutung von Sprache vgl. auch Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten) als elementar und verbesserungswürdig angesehen (Interview Bochum 31.10.2016: Engagierter in der medizinischen Flüchtlingshilfe).
Fazit
Die hohe Zahl der Zuwanderungen in den letzten Jahren führte in vielen Bereichen zu überforderten Strukturen. Das ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingshilfe setzt an diesen Defiziten an. Bezogen auf die medizinische Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden entstanden vor diesem Hintergrund, neben lang etablierten Strukturen in der medizinischen Vermittlung, neue Engagementstrukturen. Die ehrenamtlich tätigen Ärzte bieten kostenfreie Sprechstunden in den Flüchtlingsunterkünften an. Diesem Ehrenamt liegen ganz unterschiedlich ausgeprägte Strukturen zugrunde. Sie variieren zwischen selbst- und netzwerkorganisiert. Festzuhalten ist, dass die entstandenen Strukturen aufgrund einer Bedarfsorientierung und dem individuellen Einsatz in allen Fällen über das Engagement im medizinischen Bereich hinausgehen und flexibel angepasst werden.
Ein Beitrag von Helena Emken und Johannes Engelhardt
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WIESNER, Andreas et al. (2008): „Gesundheitsversorgung von papierlosen Menschen in Bremen – Ergebnisse einer Umfrage bei Arztpraxen in Bremen, Vorschläge und LöSungsansätze“.
WILMES, Maren (2013): „Kommunaler Umgang mit Menschen ohne Papiere“, hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung. Im Internet: http://www.bpb.de/apuz/172380/kommunaler-umgang-mit-menschen-ohne-papiere?p=1 ; Recherchiert am 09.01.2017
ZENTRALE ETHIKKOMMISSION (ZEKO) der Bundesärztekammer, Stellungnahme (2013): „Versorgung von nicht regulär krankenversicherten Patienten mit Migrationshintergrund“, hrsg. in: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, heft 18, 3. Mai 2013, S. 899-906.
[i] Aus Gründen der sprachlichen Eleganz wird in dieser Arbeit das sogenannte grammatikalische Geschlecht verwendet. Es schließt alle Geschlechter gleichermaßen mit ein.
[ii] „Das Bundesinnenministerium unterscheidet einerseits zwischen Personen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten, jedoch eine Duldung oder Grenzübertrittsbescheinigung erhalten haben und den Behörden bekannt sind, und andererseits Personen, die sich unter Verstoß gegen das Ausländergesetz unerlaubt in Deutschland aufhalten und gleichzeitig untergetaucht sind, den Behörden also regelmäßig nicht bekannt sind“ (Cyrus o.J.: 11). Letztere werden u.a. auch als Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, Menschen ohne Papiere, Illegale, Sans Papiers, Illegalisierte oder Papierlose bezeichnet. Jüngste Schätzungen (2014) gehen von einer Zahl von 180.000 – 520.000 Personen (beide Gruppen) aus, die sich in Deutschland aufhalten (Vogel 2015: 2).
[1] Aus Gründen der sprachlichen Eleganz wird in dieser Arbeit das sogenannte grammatikalische Geschlecht verwendet. Es schließt alle Geschlechter gleichermaßen mit ein.
[2] „Das Bundesinnenministerium unterscheidet einerseits zwischen Personen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten, jedoch eine Duldung oder Grenzübertrittsbescheinigung erhalten haben und den Behörden bekannt sind, und andererseits Personen, die sich unter Verstoß gegen das Ausländergesetz unerlaubt in Deutschland aufhalten und gleichzeitig untergetaucht sind, den Behörden also regelmäßig nicht bekannt sind“ (Cyrus o.J.: 11). Letztere werden u.a. auch als Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, Menschen ohne Papiere, Illegale, Sans Papiers, Illegalisierte oder Papierlose bezeichnet. Jüngste Schätzungen (2014) gehen von einer Zahl von 180.000 – 520.000 Personen (beide Gruppen) aus, die sich in Deutschland aufhalten (Vogel 2015: 2).
[3] Nach dieser Zeit gilt das Sozialgesetzbuch. Der Leistungsumfang entspricht dem der gesetzlichen Krankenversicherung (Rolke et al. 2016: o.S.).
[4] Huschke stellt diesbezüglich fest, dass europaweit allein Deutschland die Koppelung von medizinischer Versorgung und Statusaufdeckung praktiziert (Huschke 2013: 33).
[5] Offensichtlich bestehen in diesem Fall rechtliche Unklarheiten, denn die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz von 2009 legt im Sinne des verlängerten Geheimnisschutzes fest: „Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft sind […] nicht mitteilungspflichtig“ (Kößler et al. 2013: 35).
[6] Der Prüfbericht des Bundesinnenministeriums hält hinsichtlich des sogenannten Schlepperparagraphen eindeutig fest: „Medizinische Hilfe zu Gunsten von Illegalen wird nicht vom Tatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz (Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt) erfasst; Ärzte und sonstiges medizinisches Personal, das medizinische Hilfe leistet, macht sich nicht strafbar“ (BMI 2007, S. 48). Darunter fallen ebenfalls ehrenamtliche Tätigkeiten (vgl.: Hollstein 2017: 275; Kößler 2013: 35).
[7] Die ausführlichen Konzeptentwürfe für den anonymisierten Krankenschein finden sich unter: www.medibuero.de oder www.mfh-goe.org