In diesem Blog-Eintrag möchte ich gerne etwas über die unterschiedlichen Akteure innerhalb der Geflüchtetenarbeit in Oberhausen (für eine Übersicht über die Akteure in Bochum vgl. Beitrag zur Netzwerkperspektive) berichten sowie die einzelnen Engagementbereiche näher beleuchten.
Seit Oktober 2016 arbeite ich im Kommunalen Integrationszentrum (KI) der Stadt Oberhausen. Im Rahmen des Programmes des Landes Nordrhein-Westfalen „KOMM-AN NRW“ zur Förderung der Integration von Geflüchteten in den Kommunen und zur Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements in der Geflüchtetenarbeit umfassen meine Tätigkeiten insbesondere die Koordinierung, Vernetzung und Qualifizierung im Bereich der Integration, insbesondere der Geflüchtetenarbeit entlang einer Integrationskette. Dabei wird das freiwillige Engagement ausdrücklich einbezogen. Zuvor konnte ich bereits als freie Mitarbeiterin im KI die Entwicklungen und strukturellen Prozesse in der Geflüchtetenarbeit seit April 2015 beobachten.
In der Stadt Oberhausen sind neben der städtischen Verwaltung und vielen hauptamtlichen Akteuren und Wohlfahrtsverbänden auch viele OberhausenerInnen freiwillig in der Geflüchtetenarbeit aktiv. Hierbei lässt sich feststellen, dass die freiwillige Geflüchtetenarbeit ein heterogenes Feld ist und die einzelnen Initiativen unterschiedliche Organisationsstrukturen aufweisen. Zum einen gibt es Geflüchteteninitiativen, die bereits seit den 90er Jahren aktiv sind und welche, die sich erst 2011 zu Beginn des Bürgerkrieges in Syrien oder im Zuge der Ereignisse im Sommers 2015 gebildet haben.
Einige Engagierte organisieren sich in Initiativen, beziehungsweise Projekten oder in selbstorganisierten Gruppen. Zusätzlich sind viele Menschen aktiv, die sich alleine und spontan fernab städtischer und hauptamtlicher Strukturen engagieren möchten.
Anfang 2016 haben sich die meisten Initiativen zusammengeschlossen und das Netzwerk Oberhausener Geflüchteteninitiativen (NOGI) gegründet. Hier finden regelmäßige Austauschtreffen statt und es sind bereits Kooperationen zwischen den einzelnen Initiativen sowie mit hauptamtlichen und städtischen Akteuren entstanden. Die Initiativen, die bereits seit längerer Zeit oder seit den 90er Jahren in der Geflüchtetenarbeit aktiv sind, haben merklich den Vorteil, dass sie über weitreichendere Kenntnisse beispielsweise im Asylrecht oder auch in der Kommunikation mit städtischer Verwaltung und Hauptamtlichen verfügen. Prägend für alle Akteure in der Geflüchtetenarbeit war zu Beginn, sich über Kompetenzen, Rollen, Rechte und Pflichten, die noch unklar schienen, zu verständigen sowie die Klärung und Transparenz der jeweiligen Zuständigkeiten. Es existiert natürlich weiterhin noch vereinzelt Klärungsbedarf, jedoch bei weitem nicht wie zu Beginn. Dies liegt zum einen daran, dass sich städtische und hauptamtliche Strukturen in der Geflüchtetenarbeit beispielsweise mithilfe von Neueinstellungen und interner städtischer Kooperationen bilden und festigen konnten und zum anderen daran, dass sich die Initiativen selbst besser organisieren konnten und bereits auf Erfahrungswerte zurückgreifen können. Einige der Oberhausener Initiativen sind bereits in städtisch organisierten Arbeitskreisen neben hauptamtlichen Akteuren vertreten. Das beiderseitig wachsende Verständnis im Hinblick auf unterschiedliche Ausgangssituationen und Möglichkeiten leistet ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Viele der Initiativen engagieren sich stadtteilbezogen, bzw. wohnortnah. Auch die Anbindung an die Kirchengemeinden in Oberhausen hat einen Einfluss auf das Engagement. Es haben sich einige Initiativen um Kirchengemeinden herum gebildet und organisieren beispielsweise kulturelle Abendveranstaltungen für geflüchtete Menschen und die Oberhausener Stadtgesellschaft.
Ein Großteil der engagierten Menschen in der Geflüchtetenarbeit wendet mehr Zeit für ihr Engagement auf als Menschen in anderen Engagementbereichen. Auf Nachfrage berichtet ein Großteil der Engagierten, dass sie mindestens 10-15 Stunden pro Woche für geflüchtete Menschen aktiv seien. Im allgemeinen Engagement liegt der Durchschnitt bei ca. 5 bis maximal 10 Stunden pro Woche. Die Mehrheit der Engagierten in der Geflüchtetenarbeit in Oberhausen konzentriert ihr Engagement allein auf diesen Engagementbereich und ist nicht in anderen Bereichen aktiv.
Ein Engagement in der Geflüchtetenarbeit ist als soziales wie auch als ein politisches Engagement einzuordnen. Für viele Engagierte steht der Gedanke im Vordergrund, den schutzsuchenden Menschen Soforthilfe in allen Lebenslagen leisten zu wollen und sich gesellschaftlich verantwortlich zu fühlen. Dies unterstreicht den sozialen Aspekt. Politisch ist es dahingehend, dass viele Engagierte auf Nachfrage betonen, dass sie ein „Zeichen gegen rechts“ setzen möchten, die Zukunft mitgestalten wollen und sich für Vielfalt und Freiheit einsetzen möchten. Einige der Engagierten kommen auch aus der Antifa-Bewegung und organisieren Aktionen und Demonstrationen gegen rechts (vgl. Beitrag zur politischen Dimension des Engagements),
Die freiwillige Geflüchtetenarbeit ist ein Engagementbereich, der durch eine allumfassende Unterstützung in allen Lebenslagen der geflüchteten Menschen gekennzeichnet ist. Die wenigsten Engagierten geben beispielsweise „nur“ Sprachunterricht, sondern begleiten die Menschen auch zu Ärzten oder zu Ämtern und helfen bei der Wohnungssuche. Die Engagementbereiche in der Geflüchtetenarbeit sind vielfältig und weisen unterschiedliche Anforderungen an die Engagierten auf. Klassische Bereiche sind beispielsweise die Annahme und Ausgabe gespendeter Kleidung und Hausrat, Übersetzungshilfe, Wohnungssuche, Ausbildungs- und Arbeitssuche, Fahrdienste, Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenhilfe, Sprachkurse, Musikunterricht, Freizeitaktivitäten (Zoobesuche, Sport), Fahrradwerkstatt sowie die Begleitung bei Behördengängen und zu Ärzten. Des Weiteren werden Begegnungsmöglichkeiten für Geflüchtete mit der Oberhausener Stadtgesellschaft in Form von Veranstaltungen (Musikkonzerte, Ausstellungen, Feste, Feiern, Spielgruppen, Frauencafés, interkulturelle Sprachcafés etc…) seitens der Engagierten organisiert. Einige Initiativen haben bereits ihren Schwerpunkt auf Patenschaften für einzelne Geflüchtete oder auch Familien gelegt, um eine allumfassende Unterstützung ermöglichen zu können. Es ist zu beobachten, dass die Engagierten, die bereits länger aktiv sind, auch die Bereiche übernehmen, in denen Erfahrung vorteilhaft ist. Beispielsweise berichten einige Engagierte, dass sie bei einzelnen Ämtern bereits bekannt sind und wissen, welchen Ansprechpartner sie in welchem Fall kontaktieren müssen und auch, wie sie die Anliegen der Geflüchteten kommunizieren müssen, damit ihnen in den Einzelfällen geholfen werden können. Auch die Öffentlichkeitsarbeit wird meist von bereits länger Engagierten ausgeführt. Sie organisieren Info-Stände auf Veranstaltungen und sind im Gespräch mit Politik und Presse, um ihre Anliegen öffentlich zu machen.
Ein weiterer Bereich, bei dem spezielle Kenntnisse gefragt sind, ist der freiwillig organisierte Sprachunterricht. Dieser ist sehr wichtig, da der Zugang zu den offiziellen Integrationskursen der Integrationskursträger zum einen bisher nur für die Menschen aus Herkunftsländern mit sogenannter guter Bleibeperspektive bereitgestellt werden und zum anderen, da sie für die Menschen, bis sie einen offiziellen Integrationskurs besuchen dürfen, die erste Möglichkeit bieten, sich mit der deutschen Sprache vertraut machen zu können und Kontakte außerhalb ihrer Unterkünfte und Wohnungen zu erhalten (vgl. Beitrag zur Arbeitsmarktintegration). In Oberhausen hat sich ein professioneller SprachlehrerInnenkreis gebildet. Geleitet wird dieser von einer ehemaligen Schulleiterin. Alle Engagierten in diesem Kreis sind entweder aktive oder pensionierte LehrerInnen und SchulleiterInnen.
Ich begleite ihre regelmäßigen Treffen seit über einem Jahr und konnte mich davon überzeugen, wie gut diese Engagierten organisiert sind, zusammenarbeiten und sich selbständig auf den aktuellen Stand bringen, bzw. Fachleute zu ihren Treffen einladen. Die Qualität der Sprachkurse ist sehr hoch und die Kenntnisse aus ihrem beruflichen Kontext elementar.
Zunehmend ist leider festzustellen, dass die Bereitschaft, sich in der Geflüchtetenarbeit zu engagieren rückläufig ist. Dies kann daran liegen, dass sich viele spontane HelferInnen zu schnell und zu intensiv engagiert haben ohne dabei auf ihre persönlichen Grenzen zu achten. Auch die individuelle Erwartungshaltung, die in der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit nicht befriedigt wurde oder auch ein „Enttäuscht sein“ in Bezug auf städtische Unterstützung kann zu einem Abbruch des Engagements führen. Einige Engagierte berichten, dass sie sich mittlerweile in ihrem sozialen Umfeld rechtfertigen müssen, weil sie sich in der Geflüchtetenarbeit engagieren. Die Haltung gegenüber geflüchteten Menschen hat sich in einigen Reihen der Bevölkerung seit den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln und der anschließenden medialen Berichterstattung geändert. Ich glaube, dass sich die Menschen, die sich schon viele Jahren engagieren, nicht so leicht entmutigen lassen und ihr Engagement in der Geflüchtetenarbeit auch weiterhin mit viel Freude und Enthusiasmus fortführen werden. Hier muss der Fokus sein, ihnen genügend Unterstützungsangebote zur Verfügung zu stellen, ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu stärken und die Chance zu bieten, dass ihre Anliegen gehört und ernst genommen werden. Schließlich sind sie diejenigen, die durch den direkten Kontakt zu Geflüchteten beobachten können, welche Integrationsangebote beispielsweise hilfreich für die geflüchteten Menschen sind, wie sie sich fühlen und wo die Bedarfe und Lücken sind. Die Qualität der informellen, sozial-emotionalen Kontakte zwischen geflüchteten Menschen und Engagierten ist entscheidend für den Integrationsprozess.
Wichtig erscheint mir, langfristig und öffentlich für das freiwillige Engagement zu werben und hierbei dem Bereich der Geflüchtetenarbeit gesonderte Aufmerksamkeit zu widmen. Es sollten Kampagnen organisiert werden, die den Mehrwert des Engagements in der Geflüchtetenarbeit für die Gesamtgesellschaft deutlich machen. Das Engagement in der Geflüchtetenarbeit wird noch viele Jahre eine entscheidende Rolle im Integrationsprozess übernehmen. Ich bin zuversichtlich, auch, weil sich immer mehr WissenschaftlerInnen für diesen Engagementbereich interessieren und ihn als Forschungsgegenstand aus den unterschiedlichsten Perspektiven entdecken.