Integration heißt Teilhabe.

Kann das Mitwirken von Personen mit eigenem Migrations- oder Fluchthintergrund eine Lösung sein, die Integration besser gemeinsam zu bewältigen?

In vielen Ländern zwangen fortwährend Kriege, Glaubenskonflikte, Hungersnöte, politische Missstände und soziale Perspektivlosigkeit, Menschen ihre Heimat zu verlassen. Das führt weltweit zur Zunahme von Migrations- und Fluchtbewegungen. Im Jahr 2011 lag der Anteil der Mitbürger mit einem Migrationshintergrund bei 80,3 Millionen Bevölkerung bei 19 Prozent. 2013 waren es schon 20,5% der Gesamtbevölkerung. Von Geflüchteten kamen im Jahr 2014 23% aus Syrien, 10% aus Serbien und 8% aus Eritrea Im Januar 2015 stammten 24,6% der Personen mit Fluchthintergrund aus Syrien, 14% aus dem Kosovo und 9.4% aus Serbien (vgl. DOMID).

2015 wanderten darüber 1,1 Millionen Geflüchtete ein (vgl. Welt 2016), von denen NRW 21,2 % aufgenommen hat (vgl. Der Westen 2016). Im Vergleich zu anderen Ländern wie der Türkei bietet Deutschland sehr wenigen Menschen Asyl an (vgl. DOMID). Insbesondere nach der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 hat Deutschland nun akuten Bedarf, Veränderungen und Anpassungen in allen Bereichen der Gesellschaft und der Politik vorzunehmen. Bürgerschaftliches Engagement zählt dabei als ein wichtiges Instrument, aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen und einen zentralen Beitrag für die Integration von neuangekommenen Personen zu leisten.

Allerdings ist die heutige Situation keine Einmalige. Dass aus Einwanderern Mitbürger werden, hat Deutschland schon am Beispiel der Gastarbeiter erfahren können, die sich nun in der dritten oder sogar vierten Generation unter uns aufhalten. Deutschland ist nun auch ihre Heimat. Es hat sich gezeigt, dass unter den Freiwilligen auch zahlreiche Personen mit Migrations- oder Fluchthintergrund sind, die mit ihrem Engagement zu einer erfolgreichen Bewältigung der sog. „Flüchtlingskrise“ beitragen (vgl. Karakayali/Kleist 2015: 19). Dieser Beitrag möchte das Engagement dieser Personengruppe im Besonderen betrachten.

Der Fokus dieser Arbeit, liegt auf Ehrenamtlichen mit einem eigenem Migrations- oder Fluchthintergrund. Dabei unterscheidet dieser Beitrag zwischen Personen mit Migrationshintergrund, die nicht Teil der aktuellen Flüchtlingswelle sind, sondern schon seit Jahren in Deutschland leben und Personen mit aktuellem Fluchthintergrund.

Das Forschungsinteresse begründet sich darin, dass der untersuchte Personenkreis durch die eigene Migrations- bzw. Fluchtgeschichte möglicherweise ein besseres Verständnis für die Situation der Geflüchteten aufbringen kann und mitunter sogar dieselbe Sprache, Kultur oder Interessen mit den Geflüchteten teilen. Aufgrund ihrer eigenen Migrations- und Fluchterfahrungen ist es ihnen zudem möglicherweise ein Anliegen, sich für eine beschleunigte Integration einzusetzen. Dazu wurden Interviews mit einem engagierten Geflüchteten aus Syrien und mit zwei Engagierten mit Migrationshintergrund geführt. Die Person aus Syrien ist seit anderthalb Jahren in Deutschland und hat gute Deutschkenntnisse. Die zwei ehrenamtlichen Engagierten kommen aus der Türkei und aus Marokko. Beide wurden nicht in Deutschland geboren, sondern kamen in unterschiedlichen Lebensphasen nach Deutschland. Der türkische Interviewpartner kam als Kind und der Marokkaner als Student.

Die Arbeit gliedert sich in zwei Hauptteile. Im ersten Teil der Arbeit mit dem Titel „Motive von ehrenamtlichen Engagierten mit Migrationshintergrund“ wird dargestellt, welche Motive und Hintergründe die Personen mit Migrations- oder Fluchthintergrund in ihrem ehrenamtlichen Engagement haben und inwiefern der eigene biographische Hintergrund ihr jetziges Engagement beeinflusst hat.

Der zweite und letzte Teil „Teilhabe von Geflüchteten in der Flüchtlingsarbeit“ beschäftigt sich damit, inwiefern geflüchtete Personen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Einbindung von engagierten Personen mit eigenem Migrations- bzw. Fluchthintergrund besonders profitieren können und  inwieweit und wodurch das Engagement von Geflüchteten/Personen mit Migrationshintergrund in der Zukunft gefördert werden kann, sodass die Integration der neu ankommenden, hilfsbedürftigeren Heimatlosen in die Gesellschaft verbessert werden kann. Die Abschlussworte gelten den zuvor herausgearbeiteten Problemen und politischen Herausforderungen der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit jener Personen, die sowohl mit ihrem Migrationshintergrund als auch mit eigenen Fluchterfahrungen die Integration der neu ankommenden Geflüchteten in die Gesellschaft unterstützen.

Motive von ehrenamtlichen Engagierten mit Migrationshintergrund

Welche Motive und Hintergründe haben Personen mit Migrationshintergrund in ihrem ehrenamtlichen Engagement? Wie ist es dazu gekommen, dass sie sich engagieren und inwiefern spielt der Migrationshintergrund der EhrenamtlerInnen eine Rolle?

Nach Mutz et al. (2015) gibt es fünf verschiedene Motivtypen, die sich „Humanistisches Lebensprinzip“, „Religiöse Grundhaltung“, „Pädagogische Beweggründe“, „Interkulturelle Geselligkeit“ und „Es tut mir gut“ nennen. Die in den geführten Interviews genannten Motive lassen sich als humanistisches Lebensprinzip und als religiöse Grundhaltung kategorisieren. Nach Mutz et. al (vgl. 2015:24f) beruht das humanistische Lebensprinzip auf ethnisch moralischen Handlungen. Zu den stark normativen Ausrichtungen des Handelns gehören: „die Betonung von Gerechtigkeit und Menschenrechten“, das „Recht auf soziale Sicherheit“, der „Anspruch auf eine gute Kindheit“ sowie gesellschaftliche Grundhaltungen. Die religiöse Grundhaltung ähnelt der humanistischen Haltung besonders „in seiner normativen Dimension“ jedoch taucht diese Haltung meist in sozialen Feldern auf und wird „nicht mit den Prinzipien einer bürgerlichen Lebensweise begründet, sondern mit einer religiösen“.

Wie die Forschungsergebnisse der vorliegenden Interviews  zeigen, kann der eigene Migrations- oder Fluchthintergrund eine ganz andere Perspektive auf die konkrete Fluchtsituation ermöglichen. So können z.B. soziale, kulturelle oder religiöse Unterschiede besser nachvollzogen werden, sodass den Ankommenden die Ankunft erleichtert werden kann. In den Interviews mit Engagierten mit Migrationshintergrund zeigt sich das Motiv des humanistischen Lebensprinzips darin, dass die Person von einer „gesellschaftliche[n] Verantwortung“ ausgeht, „die Gesellschaft zu verändern und zu verbessern.“ Das untenstehende Zitat verdeutlicht, dass die Person ihre Einstellungen und Motivlage mit ihrem eigenen Migrationshintergrund erklärt, der bei ihr zu Empathie für die Situation der Geflüchteten führt.

 „Ich habe immer versucht, in meinem persönlichen Umfeld mich sowohl kulturell als auch politisch zu engagieren. Ich denke, dass wir alle eine gesellschaftliche Verantwortung tragen, die Gesellschaft zu verändern und zu verbessern. Sicherlich hat mein Migrationshintergrund hierbei eine große Rolle gespielt. Mein Vater ist als Kind mit seiner Familie von Griechenland in die Türkei geflohen und später als „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen. Ich selber bin als Kind nach Deutschland gekommen und weiß daher auch aus persönlicher Erfahrung, wie schwer es ist, alles hinter sich zu lassen und in einem fremden Land ohne Sprachkenntnisse klarzukommen. Wo und wann wir leben, ist ein Zufall und kein Recht!“ (Interview Bochum 07.08.2016: Engagierte in der Betreuung).

Manchmal werden zudem religiöse Überzeugungen, die vorsehen, Mitmenschen zu helfen, als Bewegungsgrund für ein bürgerschaftliches Engagement in der Flüchtlingshilfe angeführt. So gibt es auch aus religiösen Gründen Engagierte, die anderen Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen bei der Integration in die deutsche Gesellschaft helfen, zum Beispiel in Form von Übersetzungen, Sprachunterricht oder Nachhilfe. Der folgende Interviewausschnitt verdeutlicht, dass auch die Person davon ausgeht, sich aufgrund ihres eigenen biographischen Hintergrunds gut in die Situation neu ankommender Personen einfühlen zu können. Dennoch geht die Person davon aus, dass der Migrationshintergrund „keine große Rolle“ bei der Entscheidung für ein Flüchtlingsengagement gespielt hat.

„Mein Migrationshintergrund hat hierbei keine große Rolle gespielt. Wäre ich hier geboren, also hätte kein Migrationshintergrund, würde ich mich trotzdem in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Ich bin selber als ausländischer Student hier nach Deutschland eingewandert. Dadurch weiß ich, wie schwer es ist, in einem fremden Land mit ungenügenden Sprachkenntnissen zu leben. Meine Motive und Hintergründe sind religiös, weil ich es für wichtig halte, nach meinem persönlichen Verständnis des islamischen Glaubens, meinen Mitmenschen zu helfen.“ (Interview Düsseldorf 29.08.2016: Engagierte in der Betreuung).

Es wird deutlich, dass eigene Migrationserfahrungen zu mehr Verständnis für die Fluchtsituation und für soziale, kulturelle und religiöse Unterschiede führen können. Die Erkenntnisse werfen die Frage auf, inwiefern ehrenamtliche HelferInnen mit Migrations- oder Fluchthintergrund vielleicht in einigen Bereichen besser als Engagierte ohne Migrations- bzw. Fluchthintergrund Hilfe leisten können, da sie sich besser in die Probleme von Geflüchteten hineindenken können.

Im nächsten Abschnitt wird diese Frage am Beispiel der Vorteile der Teilhabe von Personen mit Fluchthintergrund in der Flüchtlingsarbeit diskutiert.

Vorteile der Teilhabe von Geflüchteten in der FlüchtlingsarbeitWelchen Anteil können Flüchtlinge an der genannten Arbeit haben und welche Vorteile lassen sich daraus für alle Beteiligten ziehen? Diejenigen, die sich zumeist als „Nicht-Deutsche“ im Hintergrund aufhielten, rücken dadurch, dass mit der Flüchtlingskrise neue Herausforderungen an die „deutsche“ Gesellschaft gestellt werden, plötzlich ins Scheinwerferlicht und bekommen neue Aufgaben. Wie setzen sich nun diese Mitbürger für die Neuen ein? Können wir sie ermutigen und unterstützen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten für die Zukunft einer neuen Gesellschaft einzusetzen?

Wenn es um das bürgerschaftliche Engagement in der Flüchtlingsarbeit geht, sind die ehrenamtlichen Projekte und die Menschen sehr heterogen. Neben Engagierten mit und ohne Migrationshintergrund kann man Geflüchtete stärker als neue Akteure einbeziehen. Die Schriftstellerin und Aktivisten Annika Reich drückt diese Tatsache folgendermaßen aus:

„Die Überschrift ‚Migrant*innen und Geflüchtete als neue Akteure und Akteurinnen in Politik und Medien sehe ich erst einmal als Aufforderung, dass Migrantinnen und geflohene Menschen in der deutschen Politik und den Medien als Akteurinnen in Erscheinung treten sollen. Als Vision finde ich das Thema also super. Als Zustandsbeschreibung deckt sich das leider nicht mit unseren Beobachtungen von ‚WIR MACHEN DAS‘.“ (Reich 2016)

Auch aus dem Interview mit einer Engagierten wird deutlich, dass Geflüchtete stärker als Akteure einzubeziehen, von Vorteil sein könnte, um die Integration der Flüchtlinge zu verbessern:

„Flüchtlinge kann man besser integrieren, indem man ihnen die Gelegenheit anbietet, die Sprache zu lernen und ihre eigene Zukunft in die Hand nehmen zu lassen. Flüchtlinge möchten generell nicht vom Staat für immer abhängig bleiben. Die wollen lernen, arbeiten und einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft leisten, die ihnen eine Alternative zum Krieg angeboten hat. Genau das sollte man beachten, wenn man mit Flüchtlingen umgeht. Integrieren heißt aber längst nicht assimilieren zu wollen. Flüchtlinge kommen aus einem anderen Land mit anderer Kultur und anderer Religion… Man sollte daran denken, wie so eine Mischung die Gesellschaft bereichern könnte und nicht versuchen die Differenzen zu beseitigen.“ (Interview Düsseldorf 29.08.2016: Engagierte in der Betreuung)

Zudem sei auch erwähnt, dass der Aufbau einer vertraulichen Beziehung zwischen den Flüchtlingen und den Ehrenamtlichen oder dem Staat ein ziemlich sensibler und lang andauernder Prozess sein kann. An dieser Stelle muss man besonders betonen, dass das Vertrauen untereinander schneller gebildet werden könnte, wenn mehr Personen mit eigenen Fluchterfahrungen in der Flüchtlingshilfe ehrenamtlich aktiv wären. Die Vertriebenen haben eine sehr schwere Zeit hinter sich, die das Vertrauen in Mitmenschen schwer erschüttern kann (vgl. Deutsches Rotes Kreuz: 19). Da sich die meisten der Geflüchteten in Deutschland ein neues Leben aufbauen möchten, sollte es vermieden werden, sie nur als Empfänger von Hilfsleistungen abzustempeln. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, sich am Leben der Gesellschaft zu beteiligen, produktiv zu werden und an den Grundsteinen für die Festigung des zukünftigen gesellschaftlichen Zusammenhalts mitzuwirken.

Maßnahmen, wie z.B. Versammlungen, Wahlen von Repräsentanten, die eine Selbstorganisation ermöglichen, sind daher sehr zu unterstützen. Geeignete Vertreter solcher Geflüchteten sollten in die Koordinationsstrukturen eingebunden werden. Schon jetzt kann man davon ausgehen, dass einige Personen mit Fluchterfahrung als Bundesfreiwillige oder als Dolmetscher in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich aktiv sind (vgl. Hamann et al. 2016: 55f).

Man kann eine große Vielfältigkeit im ehrenamtlichen Engagement in der Flüchtlingsarbeit beobachten. Darüber hinaus bringt dieses vielfältige Engagement Einwanderer und Einheimischen näher zusammen. Ausgangspunkt dieser Darstellung ist die Tatsache, dass sich beide Seiten durch das gemeinsame Engagement besser kennenlernen. Durch eine solche Zusammenarbeit und Kontakte können Vorurteile abgebaut und das gegenseitige Verständnis unterstützt werden. Viele wollen den neu ankommenden Geflüchteten helfen, wobei diese Unterstützungen mit persönlicher Offenheit und Bereitschaft verbunden ist. Der Einsatz der Ehrenamtlichen, bei Arztbesuchen, in der Kinderbetreuung oder dem Ausfüllen von Formularen, erfordert eine präzise Zusammenarbeit und auch eine Menge Vertrauen. Für eine Begleitung der wichtigen ersten Schritte in der neuen Gesellschaft brauchen auch die Ehrenamtlichen mit Fluchthintergrund entsprechende Erfahrungen und ein bestimmtes Know-How/Wissen. Zudem können die Mitbürger mit Fluchthintergrund diese gute Gelegenheit nutzen, um ihre Sprachkompetenzen einzusetzen und eine wichtige Rolle in der sich wandelnden deutschen Gesellschaft zu übernehmen.

„In Deutschland habe ich z.B. in der medizinischen Flüchtlingshilfe als Übersetzer von Arabisch nach Deutsch und Englisch ehrenamtlich in einem Projekt namens  ‚Respeech‘ gearbeitet. Das Ziel von diesem Projekt ist eine neue Veröffentlichung einer Zeitung für Flüchtlinge. Und jetzt arbeite ich ehrenamtlich in einem neuen Projekt namens ‚Refugees Kitchen‘. Wir benutzen diese Küche für ein Fest oder für die Werbung von ‚Refugees Kitchen‘, um die syrische Esskultur vorzustellen. Neben diesem Projekt helfe ich den Flüchtlingen auch privat, bei ihren Arztbesuchen oder um etwas zu übersetzen.“ (Interview Bochum 30.08.2016: Engagierte in der Betreuung)

Aus dem Interviewausschnitt wird deutlich, dass sich auch Personen, die selbst über einen Fluchthintergrund verfügen auch für Menschen engagieren können, die erst vor kurzem nach Deutschland gekommen sind.  Annika Reich (2016) stellt heraus, dass MIT und nicht ÜBER die Newcomer gesprochen werden soll. Da die derzeitige Kommunikation noch in jeder Hinsicht sehr wackelig sei, sollte jede Hilfe der „Ehemaligen“ mit einer Kusshand empfangen werden.

Um die besten Ergebnisse sowohl für die Gesellschaft und als auch für die Geflüchteten zu erreichen, sollten die Stimmen der Beteiligten erhört werden. Die Betroffenen sollten frühzeitig in die Planungen eingebunden werden. Die Kommunen sollten sich nach dem Handlungsprinzip „mit und nicht über“ richten, um hinterher keine untragbaren Folgen zu erleben. Also sollten die Newcomer, mit Hilfe der länger in Deutschland lebenden Flüchtlingen, eine Stimme bekommen und auch erhört werden (vgl. Reich 2016). Jedoch muss zuerst das Vertrauen der Flüchtlinge gewonnen werden, damit sie in betreffende Planungen frühzeitig eingebunden und gefragt werden können, falls es konkrete Planungsbedarfe gibt.

Die Ansätze vieler Organisationen sind nämlich auf eine schnelle Selbstständigkeit ausgerichtet. Die Notwendigkeit des Ausbaus vorhandener Netzwerke ist unumstritten. Die Flüchtlingsselbstorganisation ist hierfür im großen Maße zu unterstützen und zu fördern.

Durch die Einbindung eingesessener Flüchtlinge in den Prozess der Erstaufnahme und Integration der Neuankömmlinge, bildet sich für die „erfahrenen Mitbürger“ eine neue Funktion und Position heraus. Allen Ehrenamtlichen kommt eine sehr wichtige Rolle in der Flüchtlingspolitik der Landesregierung NRW zu.

Fazit

Integration findet vor Ort statt: im Stadtteil, auf dem Spielplatz, beim Einkaufen, Elternabend oder beim Sport. Dialog und partnerschaftliche Zusammenarbeit sowohl der Mitmenschen, als auch der Behörden sind daher wichtige Komponenten der Integration. Hierbei ist die Zusammenarbeit mit dem Ausländerbeirat, Migrantenorganisationen und religiösen Gemeinschaften ganz zentral für eine erfolgreiche Integrationsförderung. Die Schaffung einer gleichberechtigten Teilhabe kann nur gemeinsam gelingen. Den Stadtfrieden erhalten heißt sich respektvoll begegnen und die Teilhabe aller ermöglichen.

Die Mitwirkung der Engagierten mit Migrationshintergrund und zudem mit Fluchterfahrung in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit ist ein wenig erforschtes Untersuchungsthema. Der vorliegende Beitrag möchte erste Anstöße zum Schließen dieser Forschungslücke geben. Die Zielsetzung dieser Arbeit war es, die Motive und Wirkungen von Ehrenamtlichen mit Migrations- oder Fluchthintergrund zu diskutieren und zu bewerten.

Zunächst gilt es festzuhalten, dass viele Engagierten selbst einen Migrations- bzw. Fluchthintergrund haben. Es ist jedoch nicht immer der eigene Migrationshintergrund, der die Ehrenamtlichen mit Migrationshintergrund zum Handeln bewegt, sondern mitunter auch humanitäre oder religiöse Motive, die sich natürlich auch aus dem Migrationshintergrund der Person entwickelt haben können.

Einer der wichtigsten Punkte war, inwiefern die Engagementbereitschaft von Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund in Zukunft erhöht werden kann, um die neu ankommenden, hilfsbedürftigeren Flüchtlinge besser in die Gesellschaft zu integrieren. Dahinter steht die Annahme, dass geflüchtete Personen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Einbindung von engagierten Personen mit eigenem Migrations- bzw. Fluchthintergrund besonders profitieren können.

Durch die Medien und Politik werden Geflüchtete in eine passive Rolle gedrängt. Die Schriftstellerin und Aktivistin Annika Reich kommt zu dem Ergebnis, dass geflohene Menschen in den Medien oft in den nun folgenden dominanten Erscheinungsformen dargestellt werden: Erstens werden die Menschen auf ihre Fluchtgeschichten reduziert, sodass sich die Fragestellungen und Geschichten um Fluchtrouten, Schlepper, Gefahren etc. drehen. Die Geflüchteten und ihre Erfahrungen werden nicht individuell betrachtet, sondern als Teil der berühmt-berüchtigten „Welle“. Zweitens werden sie entweder als potentielle „Gefährder“ kriminalisiert oder pauschal als Traumatisierte pathologisiert. Hier stellt sich die Frage, wie man dieser Problematik begegnen kann. (Reich 2016)

Das Engagement von Geflüchteten selbst ist jedoch nur selten eine Schlagzeile wert. Um die Integration des Geflüchteten zu verbessern, ist es von Bedeutung, dieses Thema alltäglich zu thematisieren. Ich vertrete die Position, dass anstelle der Flüchtlingsproblematik positive Erfahrungen mit Geflüchteten medial stärker präsentiert werden sollten. Wenn dies der Fall wäre, könnte sich gesellschaftlichen Vorurteilen besser entgegengestellt werden und mitunter andere neu ankommende Geflüchtete motiviert werden, sich zu integrieren. Engagierte mit Flucht- bzw Migrationshintergrund können als Vorbild und Orientierungspunkt für neu ankommende Geflüchtete Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen.

 Ein Beitrag von Seher Kahraman

Literatur

Becker, Kerstin/ Heck, Sabine: Deutsches Rotes Kreuz, Gemeinsam mit Flüchtlingen Angebote des DRK zum Mitmachen, unter: https://www.drk.de/fileadmin/user_upload/PDFs/Gemeinsam_mit_Fluechtlingen.pdf, [zuletzt abgerufen am 04.01.2017].

Der Westen (2016): NRW mit der höchsten Zahl von Abschiebungen, unter: http://www.derwesten.de/politik/nrw-mit-der-hoechsten-zahl-von-abschiebungen-id11461897.html, [zuletzt abgerufen am 13.01.2017].

DOMID (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V.): Migrationsgeschichte in Deutschland, unter: http://www.domid.org/de/migrationsgeschichte-deutschland, [zuletzt abgerufen am 13.01.2017].

Hamann, Ulrike; Karakayalı, Serhat; Wallis, Mira; Höfler, Leif Jannis (2016): Koordinationsmodelle und Herausforderungen ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe in den Kommunen, Qualitative Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung, S 55, 56.

Karakayali, Serhat; Kleist, J. Olaf (2014): Strukturen und Motive der  ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit (EFA) in Deutschland.

Mutz, Gerd; Costa-Schott, Rosário; Hammer, Ines ; Layritz, Georgina; Lexhaller, Claudia ; Mayer, Michaela ; Poryadina, Tatiana; Ragus, Sonja ; Wolff, Lisa (2015): Engagement für Flüchtlinge in München. Ergebnisse eines Forschungsprojekts an der Hochschule München in Kooperation mit dem Münchner Forschungsinstitut miss, S 24, 25.

Reich, Annika (2016): Migrant*innen und Geflüchtete als neue Akteure und Akteurinnen in Politik und Medien, unter: http://wirmachendas.jetzt/migrantinnen-und-gefluechtete-als-neue-akteure-und-akteurinnen-politik-und-medien/, [zuletzt abgerufen am 02.01.2017].

Seher Kahraman (2016a): Persönliches Interview, geführt vom Verfasser. Bochum, 07.08.2016.

Seher Kahraman (2016b): Persönliches Interview, geführt vom Verfasser. Bochum, 29.08.2016.

Seher Kahraman (2016c): Persönliches Interview, geführt vom Verfasser. Bochum, 30.08.2016.

Topcu, Canan (2015): Geflüchtete als Akteure stärken, unter: https://www.boell.de/de/2015/12/12/gefluechtete-als-akteure-staerken, [zuletzt abgerufen am 02.01.2017].

Welt (2016): 1,1 Millionen Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland, unter: https://www.welt.de/politik/deutschland/article150678614/1-1-Millionen-Fluechtlinge-kamen-2015-nach-Deutschland.html, [zuletzt abgerufen am 13.01.2017].

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